Erlebnisse in letzten Stall in Boksee und nach dem Tod meiner Mutter
Silvester 2010/2011 ganz allein mit meiner Mutter, die monatelang nur im Bett hatte liegen müssen und nun seit Weihnachten jedenfalls wieder ab und zu auf dem Sofa bei uns sitzen durfte.
Ob Mamas langer Leidensweg der Grund war, weshalb uns der erste Stall in Boksee plötzlich raus schmiss .. wie gesagt, ich weiß es nicht ... ich kann nur sagen, dass wir Verständnis von diesen Leuten wirklich keines erfahren haben, die uns ausgerechnet in einer Phase, in der meine Mutter ums nackte Überleben kämpfte und Jürgen und ich natürlich helfen mussten und nur immer kurz zu den Pferden fahren konnten und man mir dann anhängte, ich hätte im Forum ja erzählt, die Zäune wären mehrmals kapputt und die Pferde weg gelaufen gewesen und darüber nachgedacht, ob ein zu weit nach hinten aufgesetzter Sattel vielleicht der Grund war, warum Prima Jürgen dann doch wieder abgeworfen hat .. nichtmal böse gemeint ja .. das war alles so fadenscheinig und ich vermute, es gab da ganz andere Gründe als die, die uns genannt wurden, um den schönen Schein zu wahren.
Der nächste Stall, in den
wir ja wirklich unfreiwillig wechselten, war anders, aber besser
keinesfalls.
Weg gelaufen sind uns Teile
der Herde dort nur einmal, und sowas kann wirklich überall mal
passieren und nicht wie im Stall in Boksee davor, nun immer wieder
alle paar Tage, wo man wirklich froh sein kann, dass da nicht
sonstwas passiert ist, weil ein Riesenschutzengel dort die Tiere und
Menschen lange beschützt hat.
Übrigens nicht immer, denn
vor ein paar Monaten ging dann in der Presse rum, dass dort einer der
Hofhunde von einem Jäger erschossen worden sei, von den
Tierschützern sehr verbreitet und mit sehr viel Wut auf die Jäger
im Allgemeinen begleitet. Nun ja, der Umgang dieser Familie mit ihren
Hofhunden war aber genauso leichtsinnig wie der mit den Pferden und
auch wenn ich diesen speziellen jungen Doggenmix nicht mehr
kennengelernt habe, sowas musste mal passieren und auch wenn dieser
Jäger vielleicht ein merkwürdiger Typ gewesen sein mag, hätte
diese Familie ihre Hunde beaufsichtigt, hätte kein Jäger auf das
Tier schließen können und hätte diese Familie die Pferde nicht
laufend weglaufen lassen, hätte ich auch nie im Forum darüber
geschrieben.
Na ja … im anderen Stall
in Boksee war das nicht so, da liefen die Pferde in etwas über einem
Jahr, wo wir dort waren, nur das eine Mal weg und sowas ist in meinen
Augen nicht fahrlässig, sondern kann vorkommen. Wir waren von Januar
2011 bis Mai 2012 in diesem zweiten Stall in Boksee.
Unsere Beziehung fing unter
der Aufforderung an, doch schriftlich in unserem Vertrag
festzuhalten, dass ich keine Fotos außer von unseren eigenen Pferden
machen dürfte, nichts schreiben, was nicht meine Tiere ganz
persönlich beträfe und auch Probleme ganz sicher nicht mit den
anderen Einstellern besprechen dürfte, sondern mich grundsätzlich
an den Bauern zu wenden hätte, wenn es ein Problem gäbe.
Ich fühlte mich von Anfang
an nicht wohl, obwohl ich später feststellte, dass ich seine
Freundin und deren eines Pferd kannte, und zwar von einer Plauderei
aus einem Thread aus reitforum.de, wo wir darauf kamen, dass sie uns
die ehemalige Reitbeteiligung Jessica aus Wellsee oft gemeinsam in
Kiel-Moorsee und Meimersdorf ausgeritten seien und sie deshalb
unseren Reno sehr gut kennen würde und auch die Geschichte, wie Nixe
damals aus Kiel-Wellsee plötzlich von der Weide verschwunden ist.
Aber diese Freundin hatte
rein gar nichts zu sagen.
Ich sprach mit ihr ab, dass
Chiwa in den Wintermonaten ruhig einmal auf die Weide dürfte. Das
ist nie passiert. Chiwa hat dort im kommenden Frühjahr einen ganz
späten Fellwechsel gehabt, es fehlte der Rehegruppe, mit der dieser
Stall noch heute wirbt, wenn er Anzeigen aufgibt, einfach an ein
wenig begrenztem Weidegang, was auch Rehepferde brauchen.
Hufrehe hatte Chiwa dort
nie, aber Verletzungen gab es bei unseren Pferden oft, denn die Herde
war nie konstant, weil die Einsteller kamen und gingen, und das
ununterbrochen. So waren laufende Rangordnungskämpfe in beiden
Herden, sowohl der Rehegruppe als auch der anderen Gruppe, in der
Prima war, an der Tagesordnung.
Warum manche Leute gingen,
habe ich nur ab und zu mitbekommen, und nicht jeder dort ging ohne
Wut, viele sind auch gegangen, weil sie sich an allen möglichen
Dingen extrem geärgert haben.
Jürgen und mich ärgerte
anfänglich am meisten, dass die Pferde sehr schnell keine Mähne
mehr hatten, was an der Art der Heufütterung lag, das immer unter
einem Balken durch auf einem Gang vor den Offenställen ausgebreitet
wurde. Eine schöne Mähne mag für ein Pferd nicht lebenswichtig
sein, aber ich fand die herrlich langen seidigen Mähnen von Prima
und Chiwa immer schön und fand meine Pferde bald regelrecht
verunstaltet deshalb. Und Chiwas struppiges Fell im 2. Sommer gefiel
mir erst recht nicht, denn ein bisschen Gras braucht nun einmal jedes
Pferd wegen bestimmter Vitamine darin.
Nicht gestört haben mich
die beiden Plätze, ein kleiner Reitplatz ohne Normgröße und ein
nur mit Steckpfählen abgestecktes kleines Round Pen. Jürgen und ich
brauchen keinen Normreitplatz und da hier zwei Plätze waren, war das
ganz nett. Der Hof lag auch gut in Bezug auf Spaziergänge durch das
Dorf. Wir sind deshalb oft dort spazieren gegangen, oft schon wegen
Chiwa, damit sie unterwegs ein wenig an den Wegrändern Gras fressen
konnte.
Gegangen sind Jürgen und
ich aus einem anderen Grund. Wir hatten sehr ehrlich zu Beginn dieses
Einstellvertrages besprochen, dass die Annahme nahe läge, dass wir
dann vorübergehend in Zahlungsschwierigkeiten geraten könnten, wenn
meine Mutter irgendwann sterben würde. Wir könnten diese Situation
durch nichts abfedern, denn ein Pflegefall der Stufe III braucht
einen bis zum letzten Atemzug, aber dann ist man von heute auf morgen
ohne Arbeit und ohne Pflegegeld, das in diesem Staat ja sofort
wegfällt, bei Hartz IV pur.
Wir haben damals gesagt,
dann müssen wir suchen und es kann passieren, dass das ein paar
Monate dauert. Damit war der Bauer auch einverstanden und meinte, da
würde sich dann schon eine Lösung finden wie zu helfen statt zu
zahlen.
Aber als es dann passierte,
sah die Sache ganz anders aus. Als Mama noch lebte, war es normal für
uns, immer sehr früh zu zahlen, denn dieser Bauer war immer pleite
und froh, dass Mamas Geld oft schon in den letzten Tagen des
Vormonats vor Fälligkeit gebucht wurde. Uns war das egal. Aber als
Mama gestorben war und uns seine Freundin noch gesagt hatte, wir
sollen uns keine Sorgen machen, die Pferde seien bei ihnen sicher,
kam dann bereits im 2. Monat, als wir nur mit der Zahlung für ein
Pferd gerade 10 Tage im Rückstand waren und noch keinen neuen Job
hatten und sogar feststand, ich würde bald einen 1-Euro-Job machen
können, bereits die versteckte Äußerung, er würde Prima
verkaufen, das sei doch für alle das Beste.
Na klasse.
Ich bekam das fehlende Geld
dann von einem alten Kinderfreund, den ich bei Facebook nach
Jahrzehnten in Frankreich wiedergefunden habe, der so Prima das Leben
rettete und uns überbrücken half, bis Jürgen und ich dann die
heute ausgeübte Tätigkeit als Werbetexter gefunden haben.
Ab Januar 13 war erstmal
alles recht sicher, aber nur ein bisschen, denn Boksee ist ein Ort,
der ohne Auto nicht zu erreichen ist und unser Auto war alt. Als
unser Ford Mondeo nicht mehr wollte, fanden wir einen günstigen
Renault Twingo, aber mein Bauch sagte mir, weg da, ich muss etwas
finden, wo unsere Pferde sicher sind, auch wenn das Geld einmal
richtig knapp wird und wir uns ein Auto vielleicht nicht mehr leisten
können.
Die Möglichkeit dazu ergab
sich dann im Juni 2012.
Bis es soweit war und auch
danach .. .was ich durch unseren Schmied und einige Facebook-Bekannte
erfahren habe … blieb es in diesem Stall beim ewigen Wechsel der
Einsteller.
Ich weiß nicht genau, warum
alle anderen gingen, habe bei einigen mitbekommen, dass sie auch ab
und zu nicht ganz pünktlich bezahlen konnten und sicher dann nicht
anders als wir behandelt worden sein werden, ich weiß nur warum
Jürgen und ich gingen.
Und es ist mir auch wurscht,
ob in meinem Einstellvertrag einmal drin stand, ich soll nichts über
diesen Stall schreiben. Ich werde keine Fotos von anderen Pferden
außer unseren dort zeigen, aber unsere schon, das ist mein gutes
Recht genauso wie zu sagen, nun das war irgendwo im Dorf Boksee bei
Kiel und wir waren von Anfang an nicht glücklich dort alleine schon
wegen diesem Knebelvertrag, der mir verbot, über das Leben unserer
Pferde dort wirklich ehrlich zu schreiben.
Was ich dort ausgerechnet
nach dem Tod meiner Mutter, der mich sowieso schon sehr mitgenommen
hat, miterleben musste, war Herzlosigkeit pur.
So ein Bauer sollte keine
Einstellpferde, sondern doch besser Schweine und Rinder zum
Schlachten halten, denn diese Form von Tierhaltung entspricht sicher
viel eher seiner Mentalität und der Art und Weise, wie er über
Tiere denkt und was er fühlen mag.
Nur weil Pferde mehr Geld
bringen, ist man in so einem Stall unter solchen Umständen nicht gut
untergebracht, gerade weil Pferde, wenn sie einmal krank werden,
einen in extreme finanzielle Schwierigkeiten bringen können und wenn
man dann keinen Stallbetreiber hat, der auch einmal ein Herz für
Tiere hat, ist man hoffnungslos verloren und vor allen Dingen ein
Lebewesen ist dort ausgeliefert, nämlich ein Pferd, das
möglicherweise wie unsere beiden nur einen Schlachtwert hat, was so
einem Menschen ja ausreicht.
Was aus Nixe und Reno wurde,
erfuhr ich leider auch zu dieser Zeit ausgerechnet dann, als meine
Mutter im Sterben lag. Ich rief deshalb Esther an und bei diesem
Gespräch erzählte sie mir, sie hätte beide verkaufen müssen und
außerdem ihre anderen Pferde Filia, Max und Rika. Aber sie weigerte
sich, mir zu sagen, an wen sie Nixe und Reno verkauft hätte. Seitdem
habe ich nie mehr ein Wort mit meiner Tochter Esther gewechselt, die
ich sonst noch immer ab und zu angerufen habe und im Frühling 2011
davor sogar mal so mutig war, sie mit Jürgen und meiner Mutter zu
besuchen, als ich fühlte, meine Mama wird bald sterben, damit sie
Esther noch einmal sehen konnte. Raphael war leider damals auf einer
Klassenfahrt. Ich machte noch Fotos von Nixe, Reno und allen anderen
Pferden und erfuhr, dass Esthers neue Jungstute Nova einen sehr
schweren und teuren Unfall gehabt hatte. Sie ließ sie nicht sterben
und ich glaube zu wissen, was dazu führte, dass sie auch Nixe und
Reno verkauft hat, nämlich deshalb. Dennoch tut es weh und noch
mehr, dass sie damals nicht ehrlich mit mir darüber geredet hat,
damit ich es jedenfalls nachvollziehen konnte und mir nicht gesagt
hat, wo die Tiere geblieben sind, damit ich jedenfalls mal hin fahren
und sie anschauen kann. Das hätte nicht sein müssen und das nehme
ich ihr übel. Zurück haben hätte ich die zwei doch gar nicht
wollen, ich wäre doch gar nicht in der Lage gewesen, sie auch noch
nebst Prima und Chiwa zu ernähren. Warum also dieses Schweigen?
Tja .. meine kleine Tochter, auf die ich immer so stolz war, weil sie so gut reiten und mit Pferden umgehen kann .. sie hat mich fast noch mehr verletzt wie ihre große Schwester. Hier an diesem Tag, als meine Mutter sie zum letzten Mal sah, war sie sehr nett .. auf der Beerdigung meiner Mutter saß sie mit ihrer Schwester auf der anderen Seite in der Friedhofskapelle und stand auch mit ihrer Schwester nicht bei mir, als meine Mama in ihr Grab gelassen wurde .. sie sah spindeldürr, verzweifelt und krank aus. Was immer sie auch erlebt haben mag, es hat sie möglicherweise noch mehr mitgenommen als mich das, was ich habe erleben müssen, und das war genau genommen unerträglich.
Nova .. meine Tochter Esther hat alles getan, ihr Leben zu retten .. ich verstehe das, ich hätte es sicher auch getan.
Meine liebe dicke Nixe ... ich glaube, es geht ihr noch gut bei ihrer neuen Besitzerin, von der ich inzwischen weiß, wer es ist, weil sie ab und zu Preise mit Nixe gewonnen hat.
Reno, der an diesem Tag sehr erschöpft wirkte. Einige Monate später sah er aber wieder gesund aus. Danach sah ich ihn nie wieder.
Meine Mama ein paar Monate vor ihrem Tod ein letztes Mal bei ihrer kleinen Enkelin. Als ich danach wieder mit Esther telefonierte, lag meine Mutter im Sterben. Tja ... nicht jede Erinnerung im Leben ist schön, auch wenn man die Menschen nach wie vor liebt, an die man sich da erinnert und sich zuweilen wünscht, man täte es nicht mehr, weil solche Erinnerungen tiefe Wunden reißen, die nie aufhören zu bluten.
Und Vanessa kaufte zur
gleichen Zeit den Haflinger Twister für ihre Tochter Janin? Warum
ein neues Pferd? Warum hat sie nicht versucht, Nixe und Reno zu
behalten. Als ich ihretwegen begonnen habe, Pferde hinter dem Haus zu
halten, war sie erwachsen und hat mir in die Hand versprochen, sie
würde gemeinsam mit mir für die Tiere da sein.
Ich bin so enttäuscht von
meinen Töchtern und so verbittert deshalb, das könnt Ihr mir
glauben, denn als ich Pferde hinters Haus stellte, hätte ich nie
gedacht, wie sehr ausgerechnet meine eigenen Töchter, die ich immer
für tierlieb gehalten habe, sich an ihnen versündigen würden.
Bis bald, wenn ich darüber
berichten werde, wie wir dann von Boksee aus dort gelandet sind, wo
wir mit Chiwa und Prima jetzt sind.
LG
Renate