Samstag, 5. Oktober 2013

Pferde - Unsere stolzen Freunde - Teil 22

Erlebnisse in letzten Stall in Boksee und nach dem Tod meiner Mutter

Silvester 2010/2011 ganz allein mit meiner Mutter, die monatelang nur im Bett hatte liegen müssen und nun seit Weihnachten jedenfalls wieder ab und zu auf dem Sofa bei uns sitzen durfte.
Ob Mamas langer Leidensweg der Grund war, weshalb uns der erste Stall in Boksee plötzlich raus schmiss .. wie gesagt, ich weiß es nicht ... ich kann nur sagen, dass wir Verständnis von diesen Leuten wirklich keines erfahren haben, die uns ausgerechnet in einer Phase, in der meine Mutter ums nackte Überleben kämpfte und Jürgen und ich natürlich helfen mussten und nur immer kurz zu den Pferden fahren konnten und man mir dann anhängte, ich hätte im Forum ja erzählt, die Zäune wären mehrmals kapputt und die Pferde weg gelaufen gewesen und darüber nachgedacht, ob ein zu weit nach hinten aufgesetzter Sattel vielleicht der Grund war, warum Prima Jürgen dann doch wieder abgeworfen hat .. nichtmal böse gemeint ja .. das war alles so fadenscheinig und ich vermute, es gab da ganz andere Gründe als die, die uns genannt wurden, um den schönen Schein zu wahren.


Der nächste Stall, in den wir ja wirklich unfreiwillig wechselten, war anders, aber besser keinesfalls.

Weg gelaufen sind uns Teile der Herde dort nur einmal, und sowas kann wirklich überall mal passieren und nicht wie im Stall in Boksee davor, nun immer wieder alle paar Tage, wo man wirklich froh sein kann, dass da nicht sonstwas passiert ist, weil ein Riesenschutzengel dort die Tiere und Menschen lange beschützt hat.

Übrigens nicht immer, denn vor ein paar Monaten ging dann in der Presse rum, dass dort einer der Hofhunde von einem Jäger erschossen worden sei, von den Tierschützern sehr verbreitet und mit sehr viel Wut auf die Jäger im Allgemeinen begleitet. Nun ja, der Umgang dieser Familie mit ihren Hofhunden war aber genauso leichtsinnig wie der mit den Pferden und auch wenn ich diesen speziellen jungen Doggenmix nicht mehr kennengelernt habe, sowas musste mal passieren und auch wenn dieser Jäger vielleicht ein merkwürdiger Typ gewesen sein mag, hätte diese Familie ihre Hunde beaufsichtigt, hätte kein Jäger auf das Tier schließen können und hätte diese Familie die Pferde nicht laufend weglaufen lassen, hätte ich auch nie im Forum darüber geschrieben.

Na ja … im anderen Stall in Boksee war das nicht so, da liefen die Pferde in etwas über einem Jahr, wo wir dort waren, nur das eine Mal weg und sowas ist in meinen Augen nicht fahrlässig, sondern kann vorkommen. Wir waren von Januar 2011 bis Mai 2012 in diesem zweiten Stall in Boksee.

Unsere Beziehung fing unter der Aufforderung an, doch schriftlich in unserem Vertrag festzuhalten, dass ich keine Fotos außer von unseren eigenen Pferden machen dürfte, nichts schreiben, was nicht meine Tiere ganz persönlich beträfe und auch Probleme ganz sicher nicht mit den anderen Einstellern besprechen dürfte, sondern mich grundsätzlich an den Bauern zu wenden hätte, wenn es ein Problem gäbe.

Ich fühlte mich von Anfang an nicht wohl, obwohl ich später feststellte, dass ich seine Freundin und deren eines Pferd kannte, und zwar von einer Plauderei aus einem Thread aus reitforum.de, wo wir darauf kamen, dass sie uns die ehemalige Reitbeteiligung Jessica aus Wellsee oft gemeinsam in Kiel-Moorsee und Meimersdorf ausgeritten seien und sie deshalb unseren Reno sehr gut kennen würde und auch die Geschichte, wie Nixe damals aus Kiel-Wellsee plötzlich von der Weide verschwunden ist.

Aber diese Freundin hatte rein gar nichts zu sagen.

Ich sprach mit ihr ab, dass Chiwa in den Wintermonaten ruhig einmal auf die Weide dürfte. Das ist nie passiert. Chiwa hat dort im kommenden Frühjahr einen ganz späten Fellwechsel gehabt, es fehlte der Rehegruppe, mit der dieser Stall noch heute wirbt, wenn er Anzeigen aufgibt, einfach an ein wenig begrenztem Weidegang, was auch Rehepferde brauchen.

Hufrehe hatte Chiwa dort nie, aber Verletzungen gab es bei unseren Pferden oft, denn die Herde war nie konstant, weil die Einsteller kamen und gingen, und das ununterbrochen. So waren laufende Rangordnungskämpfe in beiden Herden, sowohl der Rehegruppe als auch der anderen Gruppe, in der Prima war, an der Tagesordnung.

Warum manche Leute gingen, habe ich nur ab und zu mitbekommen, und nicht jeder dort ging ohne Wut, viele sind auch gegangen, weil sie sich an allen möglichen Dingen extrem geärgert haben.

Jürgen und mich ärgerte anfänglich am meisten, dass die Pferde sehr schnell keine Mähne mehr hatten, was an der Art der Heufütterung lag, das immer unter einem Balken durch auf einem Gang vor den Offenställen ausgebreitet wurde. Eine schöne Mähne mag für ein Pferd nicht lebenswichtig sein, aber ich fand die herrlich langen seidigen Mähnen von Prima und Chiwa immer schön und fand meine Pferde bald regelrecht verunstaltet deshalb. Und Chiwas struppiges Fell im 2. Sommer gefiel mir erst recht nicht, denn ein bisschen Gras braucht nun einmal jedes Pferd wegen bestimmter Vitamine darin.

Nicht gestört haben mich die beiden Plätze, ein kleiner Reitplatz ohne Normgröße und ein nur mit Steckpfählen abgestecktes kleines Round Pen. Jürgen und ich brauchen keinen Normreitplatz und da hier zwei Plätze waren, war das ganz nett. Der Hof lag auch gut in Bezug auf Spaziergänge durch das Dorf. Wir sind deshalb oft dort spazieren gegangen, oft schon wegen Chiwa, damit sie unterwegs ein wenig an den Wegrändern Gras fressen konnte.

Gegangen sind Jürgen und ich aus einem anderen Grund. Wir hatten sehr ehrlich zu Beginn dieses Einstellvertrages besprochen, dass die Annahme nahe läge, dass wir dann vorübergehend in Zahlungsschwierigkeiten geraten könnten, wenn meine Mutter irgendwann sterben würde. Wir könnten diese Situation durch nichts abfedern, denn ein Pflegefall der Stufe III braucht einen bis zum letzten Atemzug, aber dann ist man von heute auf morgen ohne Arbeit und ohne Pflegegeld, das in diesem Staat ja sofort wegfällt, bei Hartz IV pur.

Wir haben damals gesagt, dann müssen wir suchen und es kann passieren, dass das ein paar Monate dauert. Damit war der Bauer auch einverstanden und meinte, da würde sich dann schon eine Lösung finden wie zu helfen statt zu zahlen.

Aber als es dann passierte, sah die Sache ganz anders aus. Als Mama noch lebte, war es normal für uns, immer sehr früh zu zahlen, denn dieser Bauer war immer pleite und froh, dass Mamas Geld oft schon in den letzten Tagen des Vormonats vor Fälligkeit gebucht wurde. Uns war das egal. Aber als Mama gestorben war und uns seine Freundin noch gesagt hatte, wir sollen uns keine Sorgen machen, die Pferde seien bei ihnen sicher, kam dann bereits im 2. Monat, als wir nur mit der Zahlung für ein Pferd gerade 10 Tage im Rückstand waren und noch keinen neuen Job hatten und sogar feststand, ich würde bald einen 1-Euro-Job machen können, bereits die versteckte Äußerung, er würde Prima verkaufen, das sei doch für alle das Beste.

Na klasse.

Ich bekam das fehlende Geld dann von einem alten Kinderfreund, den ich bei Facebook nach Jahrzehnten in Frankreich wiedergefunden habe, der so Prima das Leben rettete und uns überbrücken half, bis Jürgen und ich dann die heute ausgeübte Tätigkeit als Werbetexter gefunden haben.

Ab Januar 13 war erstmal alles recht sicher, aber nur ein bisschen, denn Boksee ist ein Ort, der ohne Auto nicht zu erreichen ist und unser Auto war alt. Als unser Ford Mondeo nicht mehr wollte, fanden wir einen günstigen Renault Twingo, aber mein Bauch sagte mir, weg da, ich muss etwas finden, wo unsere Pferde sicher sind, auch wenn das Geld einmal richtig knapp wird und wir uns ein Auto vielleicht nicht mehr leisten können.

Die Möglichkeit dazu ergab sich dann im Juni 2012.

Bis es soweit war und auch danach .. .was ich durch unseren Schmied und einige Facebook-Bekannte erfahren habe … blieb es in diesem Stall beim ewigen Wechsel der Einsteller.

Ich weiß nicht genau, warum alle anderen gingen, habe bei einigen mitbekommen, dass sie auch ab und zu nicht ganz pünktlich bezahlen konnten und sicher dann nicht anders als wir behandelt worden sein werden, ich weiß nur warum Jürgen und ich gingen.

Und es ist mir auch wurscht, ob in meinem Einstellvertrag einmal drin stand, ich soll nichts über diesen Stall schreiben. Ich werde keine Fotos von anderen Pferden außer unseren dort zeigen, aber unsere schon, das ist mein gutes Recht genauso wie zu sagen, nun das war irgendwo im Dorf Boksee bei Kiel und wir waren von Anfang an nicht glücklich dort alleine schon wegen diesem Knebelvertrag, der mir verbot, über das Leben unserer Pferde dort wirklich ehrlich zu schreiben.

Was ich dort ausgerechnet nach dem Tod meiner Mutter, der mich sowieso schon sehr mitgenommen hat, miterleben musste, war Herzlosigkeit pur.

So ein Bauer sollte keine Einstellpferde, sondern doch besser Schweine und Rinder zum Schlachten halten, denn diese Form von Tierhaltung entspricht sicher viel eher seiner Mentalität und der Art und Weise, wie er über Tiere denkt und was er fühlen mag.

Nur weil Pferde mehr Geld bringen, ist man in so einem Stall unter solchen Umständen nicht gut untergebracht, gerade weil Pferde, wenn sie einmal krank werden, einen in extreme finanzielle Schwierigkeiten bringen können und wenn man dann keinen Stallbetreiber hat, der auch einmal ein Herz für Tiere hat, ist man hoffnungslos verloren und vor allen Dingen ein Lebewesen ist dort ausgeliefert, nämlich ein Pferd, das möglicherweise wie unsere beiden nur einen Schlachtwert hat, was so einem Menschen ja ausreicht.

Was aus Nixe und Reno wurde, erfuhr ich leider auch zu dieser Zeit ausgerechnet dann, als meine Mutter im Sterben lag. Ich rief deshalb Esther an und bei diesem Gespräch erzählte sie mir, sie hätte beide verkaufen müssen und außerdem ihre anderen Pferde Filia, Max und Rika. Aber sie weigerte sich, mir zu sagen, an wen sie Nixe und Reno verkauft hätte. Seitdem habe ich nie mehr ein Wort mit meiner Tochter Esther gewechselt, die ich sonst noch immer ab und zu angerufen habe und im Frühling 2011 davor sogar mal so mutig war, sie mit Jürgen und meiner Mutter zu besuchen, als ich fühlte, meine Mama wird bald sterben, damit sie Esther noch einmal sehen konnte. Raphael war leider damals auf einer Klassenfahrt. Ich machte noch Fotos von Nixe, Reno und allen anderen Pferden und erfuhr, dass Esthers neue Jungstute Nova einen sehr schweren und teuren Unfall gehabt hatte. Sie ließ sie nicht sterben und ich glaube zu wissen, was dazu führte, dass sie auch Nixe und Reno verkauft hat, nämlich deshalb. Dennoch tut es weh und noch mehr, dass sie damals nicht ehrlich mit mir darüber geredet hat, damit ich es jedenfalls nachvollziehen konnte und mir nicht gesagt hat, wo die Tiere geblieben sind, damit ich jedenfalls mal hin fahren und sie anschauen kann. Das hätte nicht sein müssen und das nehme ich ihr übel. Zurück haben hätte ich die zwei doch gar nicht wollen, ich wäre doch gar nicht in der Lage gewesen, sie auch noch nebst Prima und Chiwa zu ernähren. Warum also dieses Schweigen?
Tja .. meine kleine Tochter, auf die ich immer so stolz war, weil sie so gut reiten und mit Pferden umgehen kann .. sie hat mich fast noch mehr verletzt wie ihre große Schwester. Hier an diesem Tag, als meine Mutter sie zum letzten Mal sah, war sie sehr nett .. auf der Beerdigung meiner Mutter saß sie mit ihrer Schwester auf der anderen Seite in der Friedhofskapelle und stand auch mit ihrer Schwester nicht bei mir, als meine Mama in ihr Grab gelassen wurde .. sie sah spindeldürr, verzweifelt und krank aus. Was immer sie auch erlebt haben mag, es hat sie möglicherweise noch mehr mitgenommen als mich das, was ich habe erleben müssen, und das war genau genommen unerträglich.
Nova .. meine Tochter Esther hat alles getan, ihr Leben zu retten .. ich verstehe das, ich hätte es sicher auch getan.
Meine liebe dicke Nixe ... ich glaube, es geht ihr noch gut bei ihrer neuen Besitzerin, von der ich inzwischen weiß, wer es ist, weil sie ab und zu Preise mit Nixe gewonnen hat.
Reno, der an diesem Tag sehr erschöpft wirkte. Einige Monate später sah er aber wieder gesund aus. Danach sah ich ihn nie wieder.
Meine Mama ein paar Monate vor ihrem Tod ein letztes Mal bei ihrer kleinen Enkelin. Als ich danach wieder mit Esther telefonierte, lag meine Mutter im Sterben. Tja ... nicht jede Erinnerung im Leben ist schön, auch wenn man die Menschen nach wie vor liebt, an die man sich da erinnert und sich zuweilen wünscht, man täte es nicht mehr, weil solche Erinnerungen tiefe Wunden reißen, die nie aufhören zu bluten.

Und Vanessa kaufte zur gleichen Zeit den Haflinger Twister für ihre Tochter Janin? Warum ein neues Pferd? Warum hat sie nicht versucht, Nixe und Reno zu behalten. Als ich ihretwegen begonnen habe, Pferde hinter dem Haus zu halten, war sie erwachsen und hat mir in die Hand versprochen, sie würde gemeinsam mit mir für die Tiere da sein.

Ich bin so enttäuscht von meinen Töchtern und so verbittert deshalb, das könnt Ihr mir glauben, denn als ich Pferde hinters Haus stellte, hätte ich nie gedacht, wie sehr ausgerechnet meine eigenen Töchter, die ich immer für tierlieb gehalten habe, sich an ihnen versündigen würden.

Bis bald, wenn ich darüber berichten werde, wie wir dann von Boksee aus dort gelandet sind, wo wir mit Chiwa und Prima jetzt sind.




LG
Renate

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