Ein Gedanke, der mir heute in einer Jappy-Diskussion kam
Ich diskutiere zur Zeit gerade mit einigen Freundinnen bei Jappy einen meiner letzten Beiträge aus diesem Blog, wo es um verlassene Eltern geht.
In der Diskussion eines Textes dort beklagen sich viele Kinder, die ihre Eltern verlassen haben, darüber, dass sie als Kinder vernachlässigt, geschlagen, nicht beachtet worden wären.
Ich kann mir als Mutter, die von drei von ihren vier Kindern ebenfalls verlassen wurde, diesen Schuh nicht anziehen und ich weiß von meinem Mann, der auch von seinen beiden Kindern verlassen wurde, dass er sich diesen Schuh ganz sicher auch nicht anzuziehen braucht.
Eine meiner Jappy-Freundinnen meinte in Bezug auf mich, meine Kinder hätten sicher miterlebt, wie sehr ich selbst mich hätte von meiner eigenen Mutter vereinnahmen lassen. Da ist was dran.
Die andere meinte, ob die Kinder sich vielleicht deshalb nicht richtig hätten abnabeln können, weil ich mich einfach zu sehr für alles interessiert hätte, was sie im Leben getan haben.
Da kann was dran sein, das habe ich wirklich. Ich wollte wiederum etwas anders tun als meine Mutter mit mir, die sich ja wie eine Klette an mich gehängt hat und mir sogar verboten hat zu studieren und mich zwang, eine kaufmännische Lehre zu machen.
Das habe ich bei meinen Kindern nicht getan, sondern im Gegenteil sehr darauf geachtet, dass sie sich selbst entscheiden, was sie beruflich machen wollen und deshalb mit sehr viel Interesse auch ihre Neigungen und Hobbys gefördert. Es ist ihnen auf die Nerven gefallen, dass ich das tat. Offensichtlich so sehr, dass sie beschlossen, nichts mehr mit mir zu tun haben zu wollen.
Nun gut.
Ich habe ja mal eine Weile Psychologie studiert, als ich dann später gegen den Willen meiner Mutter das Abitur mit einer Glanznote im Alter von 38 Jahren nachgemacht hatte. Auf die Idee kam ich übrigens auch, um meiner ältesten Tochter zu helfen, der ich nicht zugetraut habe, den NC für Tiermedizin zu schaffen. Ich wollte ihr nur helfen. Vielleicht wollte ich immer zu viel helfen. Sie hat den NC für Tiermedizin auch mit meiner Hilfe nicht geschafft und mir mal vorgeworfen, warum ich das Abi gemacht hätte, denn sie hätte darunter gelitten, dass ich die mit Abstand bessere Schülerin auf diesem Fachgymnasium gewesen sei.
Nun ja ... es war gut gemeint und andererseits hat es mir dann auch Spaß gemacht, als ich erstmal auf dieser Schule war .. ich habe es genossen zu lernen und zu studieren, weil ich als Kind eben daran gehindert worden bin zu zeigen, was ich drauf habe.
In der Zeit dieses Abis wiederum und auch während meines kurzen Psychologiestudiums habe ich in einer Suchtklinik gearbeitet und dort gelernt, dass nicht nur vernachlässigte Kinder im späteren Leben oft Suchtprobleme bekommen können, sondern auch Kinder von sogenannten überprotektiven Eltern. Das ist so, weil sie von ihren Eltern, die sie über alles lieben, nicht die Chance bekommen, eigene Ich-Funktionen zu entwickeln, sondern eine zu enge Bindung an ihre Eltern behalten.
Waren Jürgen und ich, auch wenn wir das sicher nicht gewollt haben, solche überprotektiven Eltern?
Wir sind beide als Kinder von der eigenen Familie als Einzelkinder (Jürgen war ja adoptitiert dann auch sozusagen ein Einzelkind bei seinen Adoptveltern, auch wenn er echte Geschwister hat) auch überprotektiv behandelt worden.
Ich sicherlich, und zwar durch sowohl meine Mutter als auch meine Großeltern, bei denen ich gemeinsam mit meiner Mutter ohne Vater gelebt habe. Und wenn ich Jürgens Schilderungen von zu Hause so überdenke, er später nach seinem 4. Lebensjahr auch, obwohl er als Baby und Kleinkind vermutlich zuerst vernachlässigt worden und deshalb ja den leiblichen Eltern weggenommen worden ist.
Es mag sein, dass man diese Verhaltensweisen lernt und weitergibt und so auch selbst doch unbewusst die eigenen Kinder überprotektiv behandelt und ihnen so Probleme damit macht, ein eigenes Ich aufzubauen.
Ich denke aber, keiner von uns hat unseren Kindern was Böses antun wollen. Und ich hoffe immer noch, dass alle sechs das irgendwann nochmal begreifen werden.
Ein paar Links, falls Ihr Lust habt, das Thema überprotektive Eltern oder überprotektive Kinder zu vertiefen:
Daraus:
Diplomarbeit aus dem Jahr 2000 im Fachbereich Psychologie - Beratung,
Therapie, Note: 1, Universität Wien, Sprache: Deutsch, Abstract: Die
Frage, ob spezifische Persönlichkeitsmerkmale die Auslösung
verschiedener psychischer Erkrankungen, in diesem speziellen Falle die
des Paniksyndroms, begünstigen, beschäftigt die Forschung schon seit
langem. Phänomene wie Grundängstlichkeit (Kast, 1996) und
Angstsensitivität (Taylor & Cox, 1998) werden als mögliche
prädisponierende Faktoren für die Entstehung des Paniksyndroms genannt.
McNally und Lorenz (1987) definieren Angstsensitivität als
personenspezifisches und situationsüberdauerndes Persönlichkeitsmerkmal.
Auch Reiss (1991) in seiner Erwartungstheorie, s. auch Reiss und
McNally (1985), Reiss et al. (1986), Taylor (1995) und Cox, Parker und
Swinson (1996), mißt der Angstsensitivität erhebliche Bedeutung bei der
Entstehung des Paniksyndroms zu. Margraf und Schneider (1990) führen
physiologische Prädispositionen sowie erhöhte Aufmerksamkeitszuwendung
auf Gefahrenreize bzw. größere Akkuratheit der Interozeption an. Die
Bedeutung von inadäquaten kognitiven Schemata sowie dysfunktionalen
Kognitionen und Fehlattributionen bei der Auslösung von Panikattacken
betonen Beck et al. (1985). Seligman (1971 und 1975) sowie Schneider und
Margraf (1998) sehen die Variablen Vorhersagbarkeit und
Kontrollierbarkeit als bedeutsam für die Entstehung von Angst an. Auch
für Strian (1998) ist die Kontrolle über die Angst entscheidend.
Selektive Informationsverarbeitung spielt laut Seligman (1975) ebenfalls
eine wesentliche Rolle. Aus lerntheoretischer Sicht sind vor allem die
Zwei-Faktoren-Theorie von Mowrers (Schneider & Margraf, 1998),
basierend auf klassischer und operanter Konditionierung, sowie der
Teufelskreis der Angst (Margraf & Schneider, 1990) zu nennen.
Überprotektive Eltern, allgemeine Ängstlichkeit, Selbstunsicherheit und
Abhängigkeit werden von Margraf (1996) und Schneider und Margraf (1998)
als möglicherweise die Ausbildung von Panikattacken begünstigende
Faktoren erwähnt. Diese Theorien, ebenso wie jene von Goldstein und
Chambless (1978), wurden jedoch nicht empirisch bestätigt. Auch
neurobiologische Ansätze von Schneider und Margraf (1998) und Strian
(1998) sowie die psychoanalytisch geprägte Darstellung von Marks (1970),
daß Angst aufgrund des Konfliktes zwischen Autonomiestreben und
Abhängigkeitswünschen entsteht, sind zu beachten. [...]
...
Bin ich eine überprotektive Mutter?
Lieber Herr Dr.Posth,mein kleiner Sohn ist nun genau ein Jahr alt.Im
ersten Lebensjahr lief seine Betreuung quasi nur durch mich
bzw.tlw.meinen Mann.Fremdbetreuung durch die Oma beschränkte sich auf
gelegentliche kurze Spaziergänge.Unser Sohn ist ziemlich
anhänglich.Fremde(dazu zählen auch Oma etc.)lächelt er zwar nach kurzer
Aufwärmphase an und spielt mit ihnen, lässt sich aber nicht/nur ungern
auf den Arm nehmen.Auch darf ich in Anwesenheit Fremder nicht einfach
den Raum verlassen,dann weint er.(Sind wir allein/zu dritt,weint er
inhzwischen nicht mehr,wenn ich in einen anderen Raum gehe.)Er schläft
auch noch immer bei uns,ich stille ihn auch noch.Mein Umfeld beäugt
unser Elternverhalten recht skeptisch.Wir seien überbehütend und würden
ihn verzärteln.So würden wir es ihm schwerer machen,sich zu lösen.Bald
soll auch die TaMu-Eingewöhnung beginnen.Was meinen Sie?VG,Mascha.
von
Mascha1980 am 07.12.2010
Antwort:
Re: Bin ich eine überprotektive Mutter?
Liebe Mascha, wie ist denn das Verhältnis Ihres Sohnes zu seinem Vater?
Davon schreiben Sie nichts. Das ist aber wichtig, denn die Loslösung
geht über den Vater und erst wenn die funktioniert, öffnet sich das Kind
auch erst richtig fremden Personen. Ist die Loslösung aber nicht in
Gang gekommen, geht eine Fremdbetreuung nur über die langsame Anbahnung
einer Beziehung zur Ersatzbezugsperson. Das kann natürlich die
Großmutter sein, die es traditionell auch am häufigsten ist. A Insgesamt
aber passieren bei Ihnen völlig normale Dinge, die zunächst einmal gar
keinen Argwohn hinsichtlich einer Überbehütung zulassen. Viele Grüße
Antwort von Dr. Rüdiger Posth am 10.12.2010
...
Aha .. interessant der Satz, dass die Löslösung über den Vater geht .. ich hatte gar keinen.
....
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Kinder nicht zu sehr betüddeln
SZ: Frau Hoehne, womit haben Eltern heute zu kämpfen?
Hoehne: Viele Eltern haben den Kopf voller Normen von außen - nicht
zuletzt durch die vielen Zeitschriften, die lauter Heilsbotschaften
suggerieren. Das verwirrt oft mehr als es hilft. Das Problem ist, dass
die Eltern häufig zwar unheimlich viel wissen, dieses Wissen aber nicht
umsetzen können. Es ist sehr schwer geworden, eigene Spielregeln zu
finden - der 14-Jährigen etwa den Discobesuch zu verbieten, auch wenn
alle ihre Freundinnen hindürfen.
SZ: Heißt das, Sie plädieren für mehr Strenge den Kindern gegenüber?
Hoehne: Vielen Eltern fehlt heute das natürliche Gespür für die
Unterscheidung: Welche Freiheiten braucht mein Kind - und wo sind
Grenzen gefragt? Das ist eine Gratwanderung, aber wenn die emotionale
Grundbeziehung stimmt, braucht man seine Kinder nicht endlos zu
betüddeln: Überprotektive Eltern, die versuchen, von ihrem Kind alles
Böse dieser Welt fernzuhalten, tun ihm damit keinen Gefallen. Wenn den
Kindern ständig ein Verwöhnprogramm geboten wird, können sie überhaupt
nicht mehr verzichten und wollen immer noch mehr. Ich halte es für
wichtiger, die Autonomie der Kinder möglichst früh zu stärken, zum
Beispiel nicht als eine Art Hilfslehrer ständig die Hausaufgaben zu
überwachen. Von der dritten Klasse an sollte ein "normales" Kind in der
Lage sein, mit den schulischen Dingen allein zu Rande zu kommen.
SZ: Wenn die Kinder sich streiten sollen die Eltern also zugucken?
Hoehne: Viele Eltern, die in meine Praxis kommen, kriegen als
Hausaufgabe, aus dem Zimmer zu gehen, wenn die Kinder zanken. Meist
herrschen nach fünf Minuten wieder Ruhe und Frieden. Viele Aktionen sind
doch nur für die Eltern aufgesetzt - und wenn die eingreifen, ist das
ja nie wirklich gerecht. Kinder müssen lernen, Konflikte auszuhalten,
auszutragen und selber zu lösen. Dazu gehören halt vielleicht auch mal
heftigere Auseinandersetzungen. Aggression wird heute nur noch negativ
bewertet, weil die Eltern sofort fürchten, ihr Sohn werde womöglich ein
Schlägertyp. Dabei braucht jeder ein gesundes Maß an Aggression, um sich
durchsetzen zu können.
SZ: Wo soll Ihrer Meinung nach Familien-Unterstützung ansetzen?
Hoehne: Bei der Elternarbeit. Man muss die Eltern stärken; sie
sollten sich von Schuldgefühlen verabschieden, wenn das Kind nicht
perfekt "funktioniert" und sich von dem Wahn befreien, bei der Erziehung
alles richtig machen zu müssen. In Rollenspielen können Eltern üben,
sich durchzusetzen. Denkbar sind verschiedene Beratungsangebote - sei es
für "normale" Probleme oder auch, wenn die Familie in eine Krise
geraten ist. Außerdem halte ich den Schulterschluss von Eltern, Lehrern
und Erzieherinnen für wichtig: Sie sollten zusammenarbeiten und sich
nicht gegenseitig den schwarzen Peter zuschieben.....
Also ich muss sagen, ich habe immer alle meine Kinder ihre Hausaufgaben komplett alleine machen lassen und nichtmal kontrolliert, ob sie sie machen, da ich mir gesagt habe, wenn es in der Schule Ärger gibt, werden sie schon lernen, dass es besser ist, sie machen sie. Ich war lediglich da, falls sie mich von selbst was zu den Hausaufgaben gefragt haben. Und alle meine Kinder waren gute Schüler.
In der Beziehung war ich dann sicherlich nicht überprotektiv.
Sonst .. ja vielleicht .. natürlich habe ich immer aufgepasst, dass ihnen nichts passiert und versucht dafür zu sorgen, dass sie in Sicherheit sind .. und das hat mein Mann mit seinen Kindern ganz sicher auch getan .. wir haben unseren Kindern auch beigestanden, wenn sie Probleme hatten.
Tja ... wie man es macht, macht man es oft verkehrt.
LG
Renate