Freitag, 8. November 2013

Hallo Mami - Teil 2

Zur Erinnerung an meine Mutter - es geht weiter mit alten Foren-Texten


LG Renate

4. Oktober 2011

Heute haben wir ein Grab für Dich ausgesucht, Mami ... es ist gar nicht sehr weit weg von dem, wo früher Oma und Opa gelegen haben .. noch ist das übrigens nicht wieder verkauft. Ich konnte auch ein Stück Beet offen lassen, da kann ich Dir dann immer Blumen hin pflanzen, Mami ... dieses Jahr fange ich aber mit einem Wintergesteck an, weil der Grabhügel 6 Wochen liegen bleiben muss und dann haben wir ja Ende November.
Vanessa will Dir da auf jeden Fall auch immer dann was mit hin stellen, hat sie gesagt .. bei den anderen weiß ich das noch nicht.
Ich weiß jetzt aber, warum der Manuel neulich so schroff war, als ich ihn um Hilfe bat .. ich glaube, er konnte nicht helfen und wußte nicht, wie er das mir gegenüber zugeben sollte und fing so lieber Streit mit mir an. Ach Mama, die Kids müssen noch lernen, wie hart das Leben ist und dass dieser Staat schuld ist, nicht sie selbst .. outen und dann kämpfen, so wie wir das immer gemacht haben, nicht Mami?
Marius haben wir mit auf die Grabschleife von unserem Gesteck genommen, weil das Bafög-Amt mal wieder endlos braucht.
Ach Mami, ich hoffe, Du hast da drüben nicht mehr diese irdischen Sorgen.
Ich habe Dir was mit vielen Dalien und Gladiolen und bunten Blumen bestellt und drauf schreiben lassen, dass Du alle hinterm Regenbogen grüßen sollst.
Das machst Du doch, nicht Mami, jetzt oder falls Du noch nicht rüber geflogen bist, dann später, wenn Du da bist?

Nun will ich aber was über Dein Leben erzählen. 

 Ich weiß von Dir, dass Du in Pommern geboren wurdest, in Groß Raddow, und dass Dein Bruder Emil ein Jahr jünger war als Du.

Mein Opa war Melkermeister und Oma hat ihm dabei geholfen und als Du älter warst, Du auch, hast Opa mit Oma zusammen bei seiner Arbeit assistiert.

Das kleine Kalb bei uns im Stall, das Caro tränken muss, weil seine Mama es nicht angenommen hat, hast Du ja noch gesehen, hat Dich sicher an früher erinnert.

Von Pommern seid Ihr dann nach Mecklenburg gezogen und dort dann mehrmals umgezogen, ich werde für den Pastor noch die genauen Stationen raus suchen müssen, noch war er nicht hier.

Ich weiß, dass Dein Bruder Emil in Leningrad im Krieg gefallen ist und sehr jung war, aber wie jung genau, das weiß ich nicht mehr und muss mal auf den alten Fotos nachsehen, die ich immer von Omas und Opas Grabstein gemacht habe, wo Emil ja mit drauf graviert war.

Ich weiß heute auch, was Dir gegen Ende des Krieges diesen Schock versetzt hat, den wir gespürt haben, als wir nach der Wende mit Dir diese Ex-DDR-Reise gemacht haben. 

 Die Nazi-Schweine haben Dich gefoltert, weil Du ihnen sagen solltest, dass Opa bei einem der Hitler-Attentate dabei war, wo der leider nicht bei drauf gegangen ist .. aber Du hast ihn nicht verraten. Arme Mama, was mußt Du da durchgemacht haben. Du hast es mir damals nach Deinem Beinbruch nachts, wenn Du vor Albträumen Kopf gestanden hast, mehrmals erzählt.

Ich wußte immer nur von dem Attentat und dass mein Opa sich von mir wünschte, immer auf Dich aufzupassen, aber nie warum .. keiner hat mir das früher gesagt. Was mußt Du nur durchlitten haben, Mami.

Nach dem Krieg seid Ihr dann nach Schleswig-Holstein gekommen, zuerst nach Horstedt, dann nach Kühren, dann nach Scharstorf, wo Du meinen Vater kennen gelernt hast. 
 Ich stricke übrigens immer noch an Jürgens Pullover, jetzt seit ungefähr 4 Jahren .. ob der wohl nochmal fertig wird .. ich glaube, er glaubt es nicht.

Na ja, Du hast meinem Papa auch mal einen gestrickt, sogar mit Norwegermuster, hast Du uns erzählt.

Er ist ständig fremd gegangen .. ja ja, kenne das ja, hat mein Ex-Mann ja auch gemacht.

Ich fand das früher immer falsch von Dir, dass Du ihm nie erlaubt hast, viel Kontakt zu mir zu haben, aber heute denke ich, das war richtig. Ich hätte, als mein Ex anfing, mich zu betrügen, das gleiche machen sollen, ich glaube, dann wäre unser Leben, Deins und meins auch, viel einfacher und besser verlaufen, wir hätten Hansi doch gar nicht gebraucht, im Gegenteil, der hat immer nur uns gebraucht.

Na ja ... kennen gelernt hätte ich meinen Vater schon gern, so aus reiner Neugierde, aber vermutlich war er wirklich ein fieser Schweinehund. 

 Aber Du hast das alte Miststück nie vergessen, Mami .. das tut mir so leid, ich hätte Dir gegönnt wie ich in Jürgen nach ihm eine neue Liebe zu finden.
.....
4. Oktober 2011

 
Na ja, wir beide sind dann eben bei Oma und Opa geblieben, wo wir gelebt haben, bis uns beide dann 1971 und 1972 so schnell weg gestorben sind.

Wir waren eine glückliche kleine Familie, Oma, Opa, Du und ich und meine beste Freundin Margrit noch dabei, wir haben wie Pech und Schwefel zusammen gehalten und sowas, wie wir drei das nun zuletzt haben in unserer neuen Familie erleben müssen, sowas hat es früher bei uns sicher nie gegeben, Mami.

Als ich mit 16 meinen späteren Ehemann kennen lernte, der alles andere als brav und einfach war, Du warst für ihn da, Mami .. weil er zur Familie gehörte. Er hat leider nie begriffen, was es heißt und immer so blöd gefragt, ob Du ihn gern hättest und wenn Du dann geantwortet hast, aber er gehört doch zur Familie, wurde er böse .. der hat einfach nichts begriffen, der dumme Kerl, Mami, nämlich dass Familie einfach für uns beinhaltet hat, dass man sich natürlich liebt. 
 Als ich jung war, Du hast mir so viel erlaubt wie immer wieder lustige Partys mit vielen guten Freunden, die ich damals hatte .. und Du hast immer die Häppchen für uns gemacht und am nächsten Morgen geholfen, die Wohnung wieder aufzuräumen und hast Dich nie beklagt, wenn es laut geworden ist. 


 Tja Mami .. aber dann haben wir in dieser Familie auch den Tod erleben müssen, und das so kurz hintereinander, zuerst Opa kurz vor meiner ersten Schwangerschaft.

Damals wollte ich ja eigentlich mit meinem späteren Mann ausziehen und habe dann gesagt, das geht jetzt nicht, ich konnte Dich doch nicht mit meiner komplett dementen Oma einfach alleine zurück lassen. 

 Und als dann nach einem halben Jahr auch noch Oma starb und ich auch noch mit Vanessa schwanger war .. ach Mama, auch das war eine harte Zeit.

Grüß die beiden unbedingt von uns und erzähle ihnen, ich habe jetzt einen guten Mann, der auf mich aufpaßt, wo Du nicht mehr da bist, Mami, der an meiner Seite ist und mit mir kämpft, damit alles wieder gut wird und das Leben weiter gehen kann.
...
9. Oktober 2011

 
Hallo Mami .. ich will mal wieder weiter erzählen.

Tja Familie. Es hat nichts mit Liebe zu tun, wenn man sich das laut sagt, dass man sich liebt .. Liebe ist was anderes. Man liebt die Menschen und auch Tiere, mit denen man seine Zeit verbringt oder verbringen dürfte, wenn es möglich wäre und die, die man sieht.

Sie haben immer alle über mein Hobby fotografieren gelacht .. aber eins ist bei mir so .. ich fotografiere nur das, was ich sehe und wichtig finde und was mir egal ist, das sehe ich nicht, also fotografiere ich es auch nicht.

Der Jürgen ist kein Schmusetier . ich nenne ihn ja auch immer Igeli .. er ist aber immer da, hier bei mir und auch für Dich hatte er immer Zeit.

Ja, er hat oft gemeckert und ich glaube, das hat er getan, weil er Angst hatte, dass Du auch stirbst wie früher sein Papa, den er heute noch vermißt .. das war seine Art zu zeigen, dass er Dich geliebt hat, wenn er meckerte, Du mußt Dir mehr Mühe geben, sonst verfällst Du noch schneller.

Er ist ein großer Halt für mich jetzt wo Du im Himmel bist, Mami. 
...
10. Oktober 2011
 Freitag bei Deiner Beerdigung waren Gitta und Sigi und Ela bei uns .. es war so leer.

Vanessa hatte Janin und Marc mitgebracht ... ich habe mich aber nicht getraut, die beiden endlich mal zu fotografieren, obwohl ich sicher bin, ich werde sie wieder jahrelang nicht mehr zu sehen kriegen. Der Marc hat ganz viele Locken und gewachsen sind sie alle beide. Ich habe Janin erzählt, dass Du noch mit über 80 immer mit ihrer Mama und ihr von Preetz bis nach Scharstorf gelaufen bist. Ich dachte nur, warum konnte sie Dir die beiden nicht mitbringen, als Du noch gelebt hast, Mami. Ich hoffe, Du konntest sie jedenfalls von oben sehen.

Manuel war nicht da, hat auch keine Blumen geschickt. Irgendein Ups-Paket ist um 12 da gewesen, die wollen Montag wieder kommen .. Blumen für Dich ??? Ich habe keine Ahnung, es kommt aus Hoppegarten in der Nähe von Berlin. Ich habe da nichts bestellt.

Esther war da, aber ohne Raphael ... sie sah schlimm aus, so mager, so krank .. wie der lebende Tod. Ich habe so einen Schreck bekommen. Noch vor einem halben Jahr, als wir drei sie besucht haben, sah sie auch abgespannt aus, aber doch noch halbwegs gesund .. auf Deiner Beerdigung nicht mehr. Ich habe zwar mit ihr Krach angefangen, weil Nixe und Reno verkauft wurden und ich raus finden will, wer die Käufer sind .. aber das war sicher nicht der Grund, warum sie so krank aussah .. sie muss schon monatelang leiden, sehr leiden.

Ich weiß noch genau, früher als Esther ein Teenager war, war sie auch mal so mager und ständig krank, fast magersüchtig .. und dann habe ich Nixe gekauft und unser Psychiater hat sie immer vereimert und sie wehrte sich und dann wurde sie gesund und auch wieder dicker. 


5 Pferde hat sie verkaufen müssen, Mami .. nicht nur Nixe und Reno ... das macht sie krank, das weiß ich genau, auch wenn ich die genauen Umstände nicht kenne, warum sie die Tiere verkauft hat und es mir sicher auch keiner sagen wird.

Ich mache mir solche Sorgen um meine Tochter, aber sie begreift es nicht, dass selbst mein Versuch, Nixe und Reno abzusichern, nicht gegen sie gerichtet ist, sondern das genaue Gegenteil der Fall ist.

Aber für die anderen drei, die sie ja sicher genauso gern hat, ich kann da nichts tun.

Ich weiß nichtmal, ob es mir gelingt, schnell Arbeit zu finden .. ich gebe mir große Mühe ... habe mich erstmal auf alle Call-Center eingeschossen, Mami .. weil ich mir denke, die nehmen mich vielleicht am ehesten.

Jürgen versucht andere Sachen, genauso intensiv.

Marius kam zu Deiner Beerdigung ein bißchen zu spät . der Zug hatte unterwegs was gehabt, aber es ging noch. 


Die Predit vom Pastor Pfau war sehr schön .. er ist ein sehr netter Mann und hat mir gut zugehört und Dein Leben sehr wahr wieder gegeben.

Marius kam dann später auch noch zu uns, als Einziger.

Tja Mami ... Zeit.

Es ist nunmal so, wenn man sich liebt, versucht man schon, Zeit miteinander zu verbringen und das ist Familie .. gemeinsam verbrachte Zeit, Gedanken an die anderen, wenn man nicht zusammen sein kann .. dass sie in Gedanken immer im Vordergrund stehen.
 

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