Donnerstag, 21. August 2014

Gruppendynamik in Stallgemeinschaften

Ein Erlebnis aus den Jahren 2000 und 2001


Etwas, an das sich sicher die meisten Studenten erinnern, die wie ich ein Psychologie- oder Sozialpädagogik-Studium hinter sich gebracht haben, sind die Erinnerungen an Gruppendynamik-Kurse. Solche Kurse werden meistens von einer Phase der Betreuung begleitet, in der durch psychologische Nacharbeit eventuelle Schäden aus der Gruppendynamik bei einzelnen Individuen gering gehalten oder ausgeschlossen werden sollen, denn gruppendynamische Erlebnisse gehen an niemand vorbei, ohne mögliche Narben auf der Seele zu hinterlassen.

Wer sich dafür interessiert, was Gruppendymanik überhaupt ist, kann ja mal bei Wikipedia reinlesen. Siehe Link. Ich möchte einfach einmal ein Erlebnis aus der Gruppendynamik einer bestimmten Stallgemeinschaft erzählen, in die wir und unsere damaligen Pferde in den Jahren 2000 und 2001 verstrickt waren.


In einer Stallgemeinschaft gibt es zwei Formen von Gruppendynamik,nämlich die der Pferde sowie die der Pferdehalter, denen diese Pferde gehören. Auch Gruppen von Tieren unterliegen ja gruppendynamischen Prozessen. Da aber Pferde in Stallgemeinschaften keine natürlich zusammengewürfelten Wildpferdegruppen sind, spielen dort auch die Beziehungen der Pferdehalter untereinander eine sehr große Rolle.

Nun zu meinem Erlebnis damals:

Meine beiden Töchter Vanessa und Esther, mein Ex-Mann und ich zogen im Oktober 2000 mit unseren Pferden von Pohnsdorf nach Boksee (in Boksee habe ich Jahre später mit Jürgen noch einmal andere Pferde in zwei Pensionsställen stehen gehabt, nicht verwechseln, das hier ist länger her).

Wir bekamen dort auf eine Anzeige, dass wir eine Wohnung mit Stall suchen würden, nämlich das Angebot, eine Wohnung mieten zu können und gleichzeitig für unsere Pferde drei Boxen, einen Winterauslauf und eine Weide nutzen zu können. Der Stall war damals vollkommen leer, so dass Esther, Vanessa und ich mit Nixe, Chiwa und Reno zunächst dort ganz alleine waren. Es war Herbst und wir konnten laut Absprache mit dem Vermieter den Winterauslauf ungestört in aller Ruhe nutzen. Es wurde uns auch mündlich versprochen, dass wir auch wenn die anderen Boxen vermietet werden würden, weiterhin auf jeden Fall einen Anspruch auf die Hälfte des Winterauslaufs und später im Sommer die Hälfte der Weide haben würden.

Im November vermietete der Eigentümer dieses Hofs mit Wohnungen und Stallkomplex dann drei andere Boxen an eine Frau, die wir schon aus dem Pensionsstall in Pohnsdorf kannten, wo wir davor unsere Pferde stehen gehabt hatten.

In Pohnsdorf hatte sie nur einen Wallach gehabt und den aus Angst, die anderen Pferde könnte ihm was tun, grundsätzlich separat stehen gehabt, so dass er keinen direkten Kontakt zu den anderen Pferden herstellen konnte. Sie war von Beruf Pferdewirtin, arbeitete aber zu der damaligen Zeit als Verkäuferin in einer Kieler Firma für Reitsportbedarf. Der Wallach war mittelgroß und hieß Alex.

Als sie nach Boksee kam, hatte sie sich einen Shetty-Wallach namens Paul und eine Stute namens Mary dazu gekauft, die ein Warmblut war. Ihre ängstliche Art hatte sie beibehalten.

Wie es so ist, gehen viele Pensionsstallbetreiber auf die Wünsche neuer Einsteller oft verstärkt ein und denken sich wohl, wenn sie den alten ihre Rechte schmälern,werden die aus Gewohnheit zwar murren, aber schon zähneknirschend bleiben. So war es auch mit unserem Vermieter, der entgegen seinem Versprechen, dass uns der halbe Winterauslauf vorbehalten bliebe, dann der neuen Einstellerin den ganzen Winterauslauf zugestand, die aus Angst unsere drei Pferde nicht dabei haben wollte und uns damit konfrontierte, nun Nixe, Chiwa und Reno im Winter grundsätzlich tagsüber auf die recht weit entfernt im Dorf gelegene Weide zu führen, wo wir dann täglich morgens im Dunkeln noch vor Arbeitsgebinn mit den drei an der Straße entlang laufen mussten, auch bei Glatteis und Schnee.

Ihr könnt Euch sicher vorstellen, dass sich unsere Begeisterung in Grenzen hielt, und zwar sowohl für die Entscheidung unseres Vermieters als auch die Beziehung zu der neuen Einstellerin, die vor allen Dingen der ranghohen Nixe ohne den Versuch, es mal zu versuchen, gleich unterstellte, sie würde ihren Pferden im Winterauslauf am Stall sicherlich sonstwas antun.

Sie machte ihr Ding im Stall, Esther, Vanessa und ich machten unser Ding.

Sie war so eine Deckentante, die ihre Pferde sogar nachts eindeckte und tagsüber dann mit noch einer zweiten Decke in den Winterauslauf stellte. Schon bald bekamen die Tiere Pilze im Fell, besonders schlimm war es bei dem Shetty-Wallach Paul. Sie hatte auch diesen Tierarzt-Fimmel wie viele Frauen, die sich als besonders tierlieb empfinden, und ließ ihre Pferde laufend gegen alles mögliche behandeln.

Das ging dann nicht lange gut. Ihr wuchsen schnell die vielen Tierarztrechnungen über den Kopf.

Plötzlich stand sie dann bei uns vor der Tür und fragte uns hilfesuchend, ob wir Shetty Paul nehmen könnten. Sie würde ihn uns auch schenken, denn wenn wir ihn nicht nehmen könnten, dann müsste sie das Tier zum Schlachter bringen, weil sie in so großen finanziellen Schwierigkeiten sei.

Ich habe gesagt, auch wenn mir Paul leid täte, ich kann mir nicht noch ein viertes Pferd leisten, denn auch wenn sie mir das Pony schenken würde, ich müsste schließlich seinen Unterhalt finanzieren, und das obwohl wir mit einem Shetty nun wirklich rein gar nicht anfangen könnten.

Ich war damals in einem Call-Center beschäftigt und bot der jungen Frau an, die Kolleginnen aus meinem Team zu bitten, mit mir gemeinsam die vielen oft sehr privaten Gespräche mit unseren Kunden dazu zu nutzen, bei Gelegenheit eventuell danach zu fragen, ob einer dieses Pony gebrauchen könnte.

Das war für das Tier eine gute Idee, denn eine meiner Kolleginnen verkaufte damals ein Abo für die Kieler Nachrichten an die Besitzerin eines Reitstalls in Schönberg, die Ponyreiten für Kinder anbot. Die konnte noch ein kleines Pony für ihre Reitschule gebrauchen.

Als sie kam, um sich Paul anzusehen, zeigte unsere Miteinstellerin ihr auch Alex und verkaufte ihr Pony Paul für 500 DM und Alex für eine noch höhere Summe. Ich bekam daraufhin noch Schelte von meiner Kollegin, die dieser Frau ja gesagt hatte, Paul sei zu verschenken. Die Reitstallbetreiberin hat beide Pferde nämlich nur aus Mitleid aufgenommen, fand das falsche Versprechen aber ausgesprochen unfair.

Als ich unsere Miteinstellerin darauf ansprach, dass sie bei Paul von verschenken gesprochen hätte, meinte die, ja mir hätte sie Paul schenken wollen, sonst ja wohl nicht.

Meine Töchter und ich waren nun noch weit weniger begeistert von dieser Frau, die aber ihrerseits dann anfing, sich wie eine Klette an uns zu hängen.

Sie klingelte fortan täglich und hockte oft stundenlang in unserer Wohnung und natürlich sollte nun Mary nicht mehr alleine bleiben, sondern mit Nixe, Reno und Chiwa zusammen laufen.

Das ging auch gut. Nach ein paar Tagen Unruhe war Mary in die Pferdeherde integriert, und zwar so sehr, dass wir dann ein Problem hatten, fortan mit Nixe, Reno und Chiwa gemeinsam auszureiten, weil Mary dann hinter uns her von der Weide über den Zaun sprang.

Es blieb uns also nichts anderes übrig, als Mary bei jedem Ausritt in den Stall zu bringen, damit sie aus der Box nicht weglaufen konnte und nach dem Ausritt wieder abzuholen und zu unseren drei Pferden auf die Weide zu stellen.

Nach einer weiteren Weile bekam diese Frau genauso wie wir selbst auch Probleme mit dem Vermieter und kündigte. Sie ging dann in den Stall in Boksee, in dem in der Zeit vom 2008 bis 2011 auch längere Zeit Jürgen und ich mit Prima und Chiwa waren, blieb aber auch dort nicht lange, weil sie dort Streit wegen einer Verletzung ihrer Stute bekam, die die sich an einem der Zäune zugezogen hatte und wo der Stallbetreiber dann die Kosten für den Tierarzt nicht übernehmen wollte.

Danach haben wir die Frau aus den Augen verloren.

....

Fazit aus diesem Erlebnis:


Mit einem einzelnen Pferd suchen Gruppenmitglieder einer Stallgemeinschaft oft die Nähe der Gruppe und betrachten auch die Herde als nett für ihr Pferd.

Das ist ganz anders, wenn Gruppenmitglieder mehrere Pferde haben und die Gruppe gar nicht brauchen. Dann können die anderen Pferde und auch deren Besitzer zunächst oder plötzlich abgelehnt werden.

Dass es auch umgekehrt so sein kann und Gruppenmitglieder mit einem einzelnen Pferd zuerst Nähe zu denen mit mehreren Pferden suchen, sich aber ganz anders verhalten können, wenn sie ein weiteres Pferd dazu kaufen, haben wir gerade erlebt.

Nun .. das ist Gruppendynamik und ein normaler Prozess, über den Psychologen schon viele Modelle aufgestellt haben.

In Stallgemeinschaften verläuft das allerdings noch viel komplexer, weil auch noch die Pferde dieser Gruppe in einer Stallgemeinschaft einbezogen werden.

LG Renate

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