Montag, 10. September 2012

Psychisch krank oder einfach nur selbst schuld?

Kann man jemand retten, der den Kopf einfach in den Sand steckt?

 Mein Freund und ich leben selbst von ergänzenden Hartz-IV-Leistungen und ich weiß genau, wie schwer es ist, so finanziell über die Runden zu kommen. Ich weiß auch genau, wie schlecht in Deutschland heute viele Jobs,die man vielleicht noch machen könnte, bezahlt werden. Genauso wäre ich hilflos, wenn ich heute davor stünde, ganz alleine ohne Hilfe, aber auch ohne Geld für professionelle Hilfe umziehen zu müssen.

Ich weiß außerdem genau über meine eigene Mutter, dass es Menschen gibt, die es schaffen, ihr ganzes Leben lang nicht wirklich zu arbeiten und mit ihrer Hilflosigkeit andere Menschen dazu zu bringen, ständig für sie da zu sein, denn so war meine eigene Mutter, die mir zwar schon im Haushalt half, aber die ich ansonsten mein ganzes Leben lang, bis sie mit 91 Jahren schließlich starb, habe mit durchschleifen müssen ..... oder nein, nicht müssen, aber ich brachte es nicht übers Herz, sie im Stich zulassen, obwohl ich oft dachte, sie hat selbst schuld an ihrem Los, denn das einzige, was sie immer gut konnte war Hilfe fordern und dabei noch wunderbar Kritik austeilen, wenn ihr Leben nicht so verlief, wie sie es sich gewünscht hätte, nämlich sorgenfrei.

Momentan erlebe ich gerade mit, wie eine junge Frau im Alter meiner Töchter dabei ist, sich selbst zugrunde zu richten. Wenn es ganz hart kommt, schreit sie um Hilfe, aber jede Hilfe zur Selbsthilfe, die man ihr zeigt, ignoriert sie immer wieder und meldet sich immer nur dann, natürlich wieder wegen Hilfe, wenn mal wieder eigentlich alles zu spät ist.

Ich bin eine vehemente Verfechterin des BGE, weil ich glaube, unser reiches Land sollte Menschen nicht so viel Not aussetzen, dass sie in Lebensgefahr geraten. Aber in diesem Fall denke ich auch oft, ob es nicht auch im Falle von psychischen Erkrankungen oft Sinn machen würde, solche Menschen einfach dazu zu zwingen, gewisse Aktivitäten an den Tag zu legen statt darauf zu warten, dass sie irgendwann viel zu früh in ihrer eigenen Wohnung oder gar auf der Straße, weil obdachlos, tot aufgefunden werden.

Diese junge Frau könnte das locker schaffen, irgendwann einfach nicht mehr zu leben, weil sie selbst beschlossen hat, sich ohne jede Aktivität in ihrer eigenen Wohnung zu vergraben und zu riskieren, dass man ihr dem Strom abschaltet, ihr die Wohnung fristlos kündigt und ihr den Regelsatz so weit kürzt, das sie einfach nichts mehr zu Essen hat, aber selbst die Aktivität, zur Tafel zu gehen, sich in die Schlange zu stellen und sich was zu Essen zusammenzubetteln, ist für sie in ihren Augen ja schon zu viel.

Allein die Monatsplanung, sich eine Monatskarte zu besorgen, einige Schritte zum Bus zu laufen, um alleine einzukaufen, ist ihr bereits zu viel. Sie verlässt sich darauf, dass immer jemand da ist, der sie fährt oder ihr alles mitbringt, was sie braucht.

Denn ihr Motto ist ja ihr Übergewicht, das sie sicher gar nicht los werden möchte,denn so hat sie geschafft, vom Jobcenter und Hartz IV weg zum Bezug von Soziialhilfe zu gelangen.

Aber das ist nicht genug. Als ihre Tochter auszog, hat sie keinen Versuch unternommen, aus ihrer 3-Zimmer-Wohnung auszuziehen. Inzwischen wird zwar die Miete weiterhin bezahlt, aber das Sozialamt kürzt ihr den Regelsatz. Trotzdem geht sie nicht zur Tafel, um ihre Lebensmittelvorräte zu ergänzen, denn dann müsste sie sich ja körperlich bewegen.

Es gibt ständig Probleme mit unbezahlten Rechnungen. Ich kenne das, bei uns liegt es daran, dass auch unsere beiden Problempferde leben möchten und das ist nicht ganz billig, habe auch schon oft böse Mahnungen wegen des Stroms und anderen wichtigen Dingen bekommen, aber bisher immer noch geschafft, dann doch im letzten Moment zu bezahlen oder mal ein paar Tage Aufschub zu erbetteln.

Dazu muss man aber zum Briefkasten laufen. Auch das tut diese junge Frau oft wochenlang nicht. Unlängst sprachen mich ihre Nachbarn an, ob alles bei ihr okay sei, denn ihr Briefkasten war buchstäblich geplatzt und viele Briefe raus gefallen, von denen die Nachbarn meinten, da könnte nichts Gutes drin stehen. Jürgen rief sie daraufhin besorgt an. Sie war da, schlief aber gerade wieder einmal, obwohl es eigentlich nachts um halb 12 nicht ihre Zeit zum Schlafen war, denn sonst schläft sie immer die ganzen Tage durch, ist aber nachts oft bei ihren Online-Spielen aktiv.

Als man ihr den Strom abgestellt hatte, haben wir ihr geholfen zu telefonieren und sie kriegte wieder Strom. Ich konnte sie überreden, sich auch als Texterin zu bewerben und sie wurde sogar angenommen, aber auch den Job übt sie anders als ich nicht aus.

Sie muss dazu nicht raus gehen, sich nicht viel bewegen. Sie kann schreiben, sie ist nicht dumm, sie kann gut mit dem PC umgehen und selbst Aufträge gibt es anders als über Sommer momentan sogar wieder nachts auf diesem Portal, denn das Sommerloch der Texter ist langsam vorbei.

Sie meinte dann, es fiele ihr schwer und ob sie jetzt, wenn Jürgen seinen 50plus-Kurs übers das Jobcenter machen muss, nicht von mir Hilfe kriegen könnte und an seinem PC arbeiten. Ich war nicht begeistert, aber habe ja gesagt, habe gesagt, ab 8 bin ich hier und sie kann mit mir gemeinsam schreiben, ich helfe ihr auch, wenn sie noch Fragen hat, in diesen Job rein zu kommen.

Am 3.9. hatte Jürgen seinen ersten Tag .. heute ist der 10.9. und sie ist wieder nicht gekommen. Ich bin extra ihretwegen ganz früh mit dem Hund draußen gewesen, damit ich auch da bin, wenn sie klingelt und Hilfe bei der Arbeit brauchen könnte.

Vor einer längeren Zeit half ihr insofern, dass ich ihr eine Mitarbeiterin von der Lebenshilfe-Einrichtung Brücke besorgt habe. Aber auch diese Leute geben eben Hilfe zur Selbsthilfe, die diese junge Frau aber nicht annimmt.

Ich bin sicher, irgenwann schreit sie wieder um Hilfe, weil sie davor steht, keinen Strom, kein Telefon und nichts mehr zu Essen zu haben, aber auch nicht bereit ist, ihre eigenen Füße zu nehmen und sich selbst darum zu kümmern, wie sie weiterhin überlebt. Es wäre auch denkbar, dass sie irgendwann im Obdachlosenasyl dieses Ortes landet.

Genauso würde es mich nicht wundern, wenn sie irgendwann wie eine andere Nachbarin, die wir hier früher einmal hatten, tot in ihrer Wohnung gefunden wird .. weil der Stress, Hunger und Angst sie umgebracht haben.

Was ich mich frage ist, es könnte ihr besser gehen, warum kriegen manche Menschen den Kopf nicht aus dem Sand gezogen?

Und was könnte man tun, um solchen Menschen noch zu helfen?

Hat dieser Typus Mensch unbewusst das Bedürfnis, früh sterben zu wollen und bringt sich auf diese Art und Weise selbst stufenweise um? Aber warum?

Und diese Frau ist sicher kein Einzelfall, es gibt garantiert mehr davon.

Genau genommen müssen unter deren Verhalten viele andere Hartz-IV-Empfänger leiden, denen man unterstellt, ebenfalls zu faul zum arbeiten zu sein, obwohl das die meisten armen Leute ganz sicher nicht sind.

LG
Renate


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