Nach
Berechnungen für das Arbeitsministerium beantragen bis zu 4,9 Millionen
Menschen kein Hartz IV, obwohl sie Anspruch darauf hätten. Für die Höhe
der Regelsätze könnten diese Zahlen Konsequenzen haben.
In
Deutschland leben 3,1 bis 4,9 Millionen Menschen in verdeckter Armut.
Das heißt, dass sie kein Hartz IV beantragen, obwohl sie wegen geringen
Einkommens oder Vermögens Anspruch darauf hätten. Zu diesem Ergebnis
kommt das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in
aktuellen Simulationsrechnungen für das Arbeitsministerium. Umgerechnet
verzichten zwischen 34 und 44 Prozent der Berechtigten auf staatliche
Unterstützung, mehr als jeder dritte. Als mögliche Gründe, warum kein
Leistungsantrag gestellt wird, nennen die IAB-Forscher in der
247-seitigen Studie Unwissenheit, Scham oder eine nur sehr geringe zu
erwartende Leistungshöhe oder –dauer.
Politisch bedeutsam sind diese Zahlen für die Höhe der
Hartz-IV-Regelsätze. Denn die richtet sich nach den Konsumausgaben der
unteren 20 Prozent der Einkommensbezieher – Hartz-IV-Empfänger werden
dabei ausgenommen, um keine Verarmungsspirale in Gang zu setzen. Die
Regelsatzberechnung war 2011 nach einem Urteil des
Bundesverfassungsgerichts geändert worden. Die Richter hatten damals
auch festgestellt, dass die Einbeziehung von verdeckt armen Haushalten
in die Referenzgruppe „die Datenbasis verfälschen“ würde. Bei der
Auswertung künftiger Einkommens- und Verbrauchsstichproben solle der
Gesetzgeber darauf achten, diese zu entfernen.
Mehr zum Thema
Dann
müssten aber auch die Regelsätze steigen. Rechnet man die verdeckt
Armen heraus, so steigen die Konsumausgaben bei Alleinstehenden laut IAB
im Schnitt um bis zu 2,4 Prozent, bei Paaren mit einem Kind um bis zu
5,5 Prozent. Das Bundesarbeitsministerium bezeichnet die Zahl der
verdeckt Armen als „beträchtlich“, will aber die Berechnung nicht
ändern. Würde diese Personengruppe herausgerechnet, „käme es durch die
an deren Stelle nachrückenden Haushalte mit höherem Einkommen
tendenziell zu einer Verlagerung der Referenzgruppe in den mittleren
Einkommensbereich“, heißt es dazu im aktuellen Regelbedarfsbericht, der
am Mittwoch im Sozialausschuss beraten wurde.
Aktuelle Beiträge aus dem Politik-Ressort
Linken-Chefin Katja Kipping forderte eine bedarfsdeckende
Mindestsicherung ohne Sanktionen statt Hartz IV. „Angesichts der
entwürdigenden Prozeduren auf den Jobcentern ist es kein Wunder, dass
Millionen auf Leistungen verzichten. Die Abschreckung durch
Diskriminierung spart dem Staat pro Jahr mindestens 20 Milliarden Euro.“
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Dein Kommentar wird nach Prüfung durch einen Moderator frei gegeben.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Dein Kommentar wird nach Prüfung durch einen Moderator frei gegeben.