Sonntag, 26. Januar 2014

Bilanz – mein Leben in einem kapitalistischen Land

Teil 6:

Pferde hinterm Haus als Illusion eines neuen Glücks


Nachdem eine Firma pleite gegangen war, in der mein Ex-Mann im Innenausbau gearbeitet hatte, wurde er von einem Hausbau-Unternehmen gefragt, ob er selbständig für sie als Subunternehmer arbeiten würde. Eine Weile hatte ich das Gefühl, das sei endlich eine Chance und auch, mein Ex-Mann würde das gut machen. Wer liebt, glaubt eben gern an das Gute.

Nach dem ersten Sommer, als ich in der Öko-Gärtnerei gearbeitet hatte, ging es uns finanziell richtig gut. Die Firma lief super und ich hatte sogar eine Bank gefunden, die uns wieder Kredit gab. Mein Großer stand viel auf der Bühne, der Kleine sollte ein Instrument bekommen und von dem Urlaub, den ich den beiden Großen in Roskilde und uns anderen in der Ex-DDR an einem Baggersee bei Hoyerswerde bezahlt hatte, war immer noch viel Geld übrig. Ich kaufte deshalb Equipment für Manuel und seine Band, Marius eine E-Gitarre und dann tat ich etwas, wo ich lange gezögert hatte. Ich gab Vanessas Wunsch nach einem eigenen Pferd nach und kaufte unsere Stute Nixe.

Manuel verliebte sich nach einigen kurzen und unbedeutenden Flirts dann in seine erste große Liebe Sonja (Jürgen und ich haben sie übrigens vor einigen Tagen bei einem Reiterfest als Akteurin fotografiert .. es war eine Nummer mit Hunden und Pferde, sehr nett).

Anders als von uns geplant, beschloss Vanessa statt im Jahr darauf Nixe von einem Tinker decken und ein Fohlen kriegen zu lassen, dass nun Sonja ein eigenes Pferd zu Nixe stellen dürfte. Sie zog bei uns in die WG mit ein und kaufte sich Lady, ein englisches Vollblut.

Aber Lady starb nach nur 4 Monaten bei uns. Sonja ließ sie schlachten, was in meinen Augen nicht nötig gewesen wäre. Das Tier hätte leben können, sie hatte nur wie wir es heute auch von Nadinah kennen, Probleme mit den Sehnen und hätte nicht durch tiefen Boden auf einem Stoppelfeld geritten werden dürfen, schon gar nicht mehrfach kurz hintereinander, als die Sehnen wieder besser schienen. Lady wurde nur 7 Jahre alt und ich war dabei, als sie geschlachtet wurde.

Aus der Freundschaft zwischen Vanessa und Sonja entwickelte sich schleichend danach eine tiefe Feindschaft, was Vanessa heute abstreitet und mir die Schuld an den Konflikten mit Sonja aufhalst. Ich hatte sie aber nicht.

Ich wollte weder Lady zu uns holen noch wollte ich danach Sonja verbieten, ein anderes Pferd zu Nixe zu stellen. Ich gab nur Vanessa nach, denn nicht Sonja, sondern sie war schließlich mein Kind. Also kaufte ich Chiwa, die ich heute selbst immer noch habe, dazu und Nixe akzeptierte sie sofort.

Als meine Schwiegermutter starb, vererbte sie den Kindern und mir ihr Vermögen und enterbte meinen Ex-Mann. Als das passierte, hatten wir uns gerade wegen einer neuen Affaire getrennt und er lebte allein in Preetz. Zuerst versuchte er, wegen der Minderjährigkeit an den Anteil Geld unserer Kinder zu kommen, aber das habe ich über meine damalige Scheidungsanwältin verhindert. Aber er kam zu uns zurück. Er schaffte das, indem er mir ein Gedicht schrieb, nachdem ich ihn gefragt hatte, ob er mit mir und meinem damaligen neuen Freund Wolfgang in ein Jazz-Konzert gehen würde. Ich war gerührt, von meinem Mann, der ja als Legastheniker kaum schreiben kann, ein Gedicht zu bekommen, das von oben bis unten voller Fehler war, vertrug mich wieder mit ihm.

Unsere Kinder schickten uns dann aufgrund unserer Silberhochzeit nach Tunesien in Urlaub. Dort ritt mein Ex-Mann mit mir auf einem Dromedar und als wir wieder zu Hause waren, begann er auf unserem Knabstrupper Reno zu reiten, den wir im Sommer zuvor eigentlich zum Kutschefahren zu den beiden anderen Pferden dazu gekauft hatten. Wir hatten dann ein paar glückliche Monate, mehr war es nicht.

Schon bald hörte mein Ex-Mann wieder auf zu reiten, er hätte angeblich Angst.Er hatte nur eins, wieder eine neue Affaire beziehungsweise vermutlich die gleiche, wegen der wir uns bereits zwei Jahre davor getrennt hatten und wegen der ich eigentlich damals die Scheidung eingereicht hatte.

Auch mit meinen Töchtern blieb das Pferde-hinterm-Haus-Idyll nicht das, was es anfänglich war. Ich glaube, Vanessa litt darunter, dass Esther viel mehr Talent zum reiten hat als sie es jemals haben wird. Esther war auch schon immer die bessere Schülerin. Sie litt sogar darunter, dass ich das bessere Abitur gemacht habe und sie doch nicht Tiermedizin studieren konnte. Alles war nicht meine Schuld.

Es war auch nicht meine Schuld, als ich später wegen ihr massive Probleme mit Manuel bekommen habe, was er mir heute noch vorwirft, weil Vanessa nicht mit seiner Freundin auskam, die sie selbst zu uns nach Depenau geholt hat, und zwar samst Pferd. Genauso wenig war es meine Schuld, dass ich später ihren heutigen Ehemann Timo einfach nicht genauso gern hatte wie die erste Liebe meiner jüngeren Tochter Esther, denn beide wohnten auch bei uns in Depenau, aber ich kam mit Björn eben einfach besser aus. Schließlich kann man sich Schwiegersöhne nicht aussuchen. Timo behandelte mich und meine Mutter von Anfang an wie den letzten Dreck, was schon anfing, als er nur wenige Wochen bei uns wohnte. Es war unmöglich, diesen Mann zu mögen.

Ich fand es auch unmöglich, dass er nach der Hochzeit mit Vanessa ein Kind von ihr wollte, aber ständig die Berufsschule schwänzte und mehrfach durch seine Gesellenprüfung fiel und dann jammerte, er hätte ja Prüfungsangst. Ich habe ihm deshalb gesagt, wenn ich nie zur Schule gegangen wäre, wäre ich auch durch jede Prüfung gefallen.

Ist ja auch logisch.

Jürgen lernte meinen Schwiegersohn Timo ohne zu wissen, wer er ist, aktuell in einer Weiterbildung des Jobcenters kennen, er hat sich nicht verändert, hat auch da ständig den Klassenclown gespielt und die anderen beim Unterricht gestört. Auch eine Frau, wo eine Weile Twister stand, hat uns neulich erzählt, sie könnte jetzt verstehen, warum ich mit Timo nie ausgekommen bin, weil er sich in ihrem Stall genauso verhalten hat .. er wäre ein Kindskopf, der wohl nie erwachsen werden würde.

Nun ja, ich habe meinen Töchtern wohl vorgelebt, so hilflose Männer, die zu nichts taugen, zu beschützen. Ich tat es mit ihrem Vater ja als weibliches Vorbild auch viele Jahre.

Ende 1999 erwischte ich meinen Ex dann wieder mit einer anderen Frau. Das kam sehr zufällig, weil sich die Firma, wo er nebenberuflich Taxi fuhr .. er war damals vorwiegend arbeitslos, sicher absichtlich, weil er so viel Schwarzarbeit machen konnte und mir irgendwas vorgaukeln und genug Freiraum für seine Affairen hatte .. dann bei mir meldete, ob er nicht kommen könnte. Dabei hatte er mir gesagt, er würde bereits Taxi fahren. Ich drückte auf die Wahlwiederholungstaste unseres Telefons und erfuhr von einer älteren offensichtlich dementen Frau, dass mein Ex-Mann sich seit Jahren mit ihrer Enkeltochter treffen würde, jeden Mittwoch.

Die Frau hieß Helga .. er hat mich mindestens 12 Jahre mit dieser Helga betrogen, sie aber später auch noch zusätzlich mit weiteren Frauen. Nun ja .. Helga hatte selbst schuld, sie war nicht besser als er.

Wir kriegten Streit, Esther und Björn zogen spontan aus, ich konnte den Resthof nicht mehr halten und zog mit Marius zu meiner Mutter nach Preetz, die mein Mann schon ein paar Jahre vorher einfach raus geschmissen hatte, nachdem sie einmal ins Frauenhaus geflüchtet war, als er sie wieder angriff. Gewalt, auch wenn ich es nicht immer wieder erwähnt habe, war bei meinem Ex-Mann ja längst zur Normalität geworden, wenn ihm die Argumente fehlten.

Noch in Depenau habe ich ihn einmal mit einer Radkappe so auf den Kopf geschlagen, dass er blutend ins Krankenhaus musste, Das war Notwehr, sonst hätte er wieder mich geschlagen. Er meinte danach, nun wüsste er wie das ist, wenn man geschlagen wird. Es hat ihn aber nicht davon abgehalten, immer wieder zuzuschlagen.

Esther kam später zu Marius und mir zurück und wohnte eine Weile bei meiner Mutter nebenan, bis sie sich in einen anderen Mann verliebte, der Robert hieß, denn Björn war schwul geworden oder immer gewesen und hatte beschlossen, mit einem anderen Mann zusammenzuleben. Schade war das, er war so nett und hatte vom Wesen her so gut zu Esther gepasst.

Vanessa hätte unseren Resthof in Depenau mit Nixe, Reno und Chiwa hinter dem Haus damals halten können, aber sie tat es nicht. Sie zog mit ihrem Mann weg und ist inzwischen ohne Scheidung und tra la la genauso oft umgezogen wie ich, seit wir aus Depenau alle weg sind.

Es begann die Odyssée mit unseren Pferden von Pensionsstall zu Pensionsstall.


Wie es in Preetz dann weiterging, davon berichte ich Euch später einmal.

LG
Renate

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