Der typische Reiter
Der typische Reiter trägt immer eine
schwarze Reithose, ein weißes Hemd und ein rotes Sakko. Er fährt
einen riesigen Benz, den SUV mit 400 PS oder den Geländewagen von
Porsche. Wenn er reiten möchte, ruft er im Gestüt an und sofort
wird sein Pferd gestriegelt und gesattelt. Ist das Pferd mal nervös,
wird der Trainer zur Sau gemacht. Erkrankt das liebe Pferd, wird der
Abdecker gerufen und dann sucht man sich eben ein neues Spielzeug mit
Rang und Adel
SOWEIT ZU DEN VORURTEILEN.
Die meisten Hoppas haben ein viel
besseres Leben. Das sind nämlich die, die einem Pferdemenschen oder
Pferdenarren gehören. Der trägt im Stall eine Hose, die schon
bessere Zeiten gesehen hat, aber noch die wichtigsten Zonen der
Anatomie verhüllt. Sie sieht mit den Bügelflicken und groben Nähten
immer lustig aus und wäre bei jedem anderen schon vor Jahren im Müll
gelandet. Der Pferdemensch striegelt seinen Zossen immer selber. Hat
aber auch keine Angst einmal dreckig zu werden. Hat sich das Pferd
ein Steinchen in den Huf getreten, wird gehandelt. Da ist es dann
auch egal, ob man gerade den Anzug fürs Büro an hat. Erst helfen
und dann hat sich Umziehen erledigt. Selbst wenn er keine
Gummistiefel dabei hat, watet er zum Wohle der Fellnase mutig durch
jede Schlammkuhle.
Der Pferdehalter hat immer das Wohl
seines Lieblings im Kopf.
Eigentlich müsste der Auspuff des fast
historischen Autos repariert werden, aber das Pferd muss geimpft
werden und der Hufschmied kommt auch noch. Und da war doch auch was
mit der Startautomatik... egal, die Kiste fährt ja noch. Der Zosse
geht vor. Die Jeans fällt auch schon auseinander, aber das Pferd
braucht dringend einen neuen Sattel, weil der schon alt ist und
bestimmt irgendwo drückt. Also geht das Geld zum Tierarzt, zum
Schied und zum Sattler oder in einen neuen Sattel. Zu Hause gibt es
schon den dritten Tag Kohlsuppe, aber das tolle Diätmüsli musste
gekauft werden. In der Zwischenzeit hat sich das Auto wegen
mangelnder Reparaturen verabschiedet. Alle Rücklagen für einen
neuen Gebrauchten sind doch irgendwie in das Pferd geflossen. Und was
sagt der mit dem Pferdevirus infizierte Mensch dann? Ich kann auch
zum Pferd laufen. Nach dem Misten der Box, dem Säubern der Koppel
und allen anderen Aufgaben geht es dann eben im Dunkeln wieder nach
Hause. Kurz ausruhen, schnell noch einkaufen, ne Kleinigkeit essen
und dann ist der Tag auch schon vorbei. Der Blick auf die Uhr zeigt
sechs Stunden Schlaf bis zur Arbeit an, aber der Pferdemensch schläft
lächelnd ein. Am Wochenende ist dann noch lange nicht Schluss. Da
werden Unterstände repariert, die Boxen gestrichen, Zäune in Stand
gesetzt und die Pferde mit Massagen und viel Zuneigung verwöhnt.
Ach
ja, ab und an reitet man dann auch mal mit der Fellnase aus.
Und wofür der ganze Aufwand?
Der Pferdemensch fragt nicht nach
irgendeinem finanziellen Nutzen bei seinem Hobby. Den braucht er
nicht. Er bekommt viel mehr von seinem Pferd zurück. Es vertraut ihm
blind, es geht für ihn durch dick und dünn, es belügt ihn niemals,
es freut sich wenn es da ist und es würde alles für ihn tun, sogar
sterben. Aber da ist noch mehr! Pferde wissen immer, wie man sich
gerade fühlt und reagieren darauf. Sie schmusen mit einem, wenn man
eine Schulter zum Anlehnen braucht. Da steht geballte Power vor einem
und diese Power stupst einen ganz sanft, diese Power legt unmerklich
den massigen Kopf auf die Schulter und die Power macht Faxen, um Dich
lachen zu sehen. Sie muntern einen immer wieder auf ihre eigene Art
auf, geben einem Kraft und zeigen Dir was wichtig im Leben ist. Ja
sie akzeptieren sogar den Hund von Dir, auch wenn er nicht gerade
pferdefreundlich ist. Sie nehmen Deine Bemühungen wahr, einen
Konsens für beide zu finden und unterstützen Dich dabei.
Und wenn die Welt zusammenbricht
Immer wenn mich das Leben mal so
richtig runter ziehen will, schnappe ich mir meinen Hund, gehe die 4
Km zu den Pferden und unterhalte mich schweigend mit meinen Tieren.
Die Pferde zeigen mir meine Liebe zu leben und der Hund spielt den
Clown, um ein Lachen in mein Gesicht zu zaubern.
DAS ist meine
Ladestation, um weiter zu machen. Dafür allein lohnt es sich zu
LEBEN. Ja ich lebe, weil ich liebe. Kann das ein Ferrari auch? Und
genauso fühlen auch meine Tiere. Ich brauche keine Millionen, keine
Superjacht, kein Schloss mit Schlossgarten. Ich brauche nur meine
Tiere und deren Vertrauen. Für sie gilt der Spruch: Geht nicht, gibt
es nicht.
Ich lebe nun schon viele Jahre nach
dieser Philosophie und habe nicht eine einzige Sekunde bereut.
Manchmal umarme ich mein Pferd, spüre seine Energie und schöpfe
neuen Mut. Habt Ihr Nichtpferdemenschen schon einmal gespürt, wie
still und unbeweglich 650 kg Muskelkraft stehen können? Habt Ihr
schon einmal gespürt, wie zärtlich 1000 kg sein können? Nein ?
Dann lasst Euch doch einmal auf dieses Abenteuer ein. Aber ich warne
Euch, es ist die schlimmste Sucht, die kein Therapeut heilen kann.
Aber sie macht glücklich in allen Lebenslagen. Ich brauche keinen
Therapeuten, ich habe Pferde.
..sehr sehr schön geschrieben Jürgen, ich verstehe sehr gut was du damit sagen willst, ich bin ja auch Pferdemensch und auch wenn ich momentan keine Pflege Hoppas habe, aber mit meinen sechs Scheißerchen zu hause geht es mir genauso wie dir!!...sehr sehr sehr toll geschrieben!! <3
AntwortenLöschenMoin Ela,
AntwortenLöschenlogisch trifft diese Einstellung auf jede Tierart zu, die man hält, auch auf Meerschweinchen.
Es gibt eben Menschen, die sich mit ihren Haustieren identifizieren und für die ihre Tiere sozusagen Familienmitglieder sind, die man unter keinen Umständen im Stich lässt und solche, die Tiere oft nur als Spielzeug oder Zeitvertreib sehen und sich auch leicht wieder davon trennen, wenn es nicht passt oder sie einen ganz ungewissen Schicksal überlassen und sich oft dann genauso schnell eben mal das nächste Tier anzuschaffen, mit dem sie dann nicht besser umgehen ... oder die Tiere auch komplett vernachlässigen, was man gerade bei Kleintieren wie Deinen in einer Wohnung nichtmal sehen würde .. bei Pferden gibt es meistens ja noch Nachbarn, die bei Vernachlässigung Alarm schlagen würden.