Samstag, 6. April 2013

Die Mimik beim Borderline-Syndrom


Man lernt im Leben nie aus, und das geht auch mir so. Das da oben ist mein Ex-Mann mit unserem Knabstrupper Reno, als wir Reno ganz neu hatten. Er lächelt, wie man sieht, aber lächelt er wirklich so, als ob er glücklich wäre?
Nach meiner Erfahrung tut er das auch an so einem schönen Tag wie einem ersten Spaziergang mit einem neuen Pferd nicht. Er suchte immer Glück und Freude, aber war nicht in der Lage, Glück, Freude oder gar Lustgefühle wirklich wahrzunehmen. Seine Suche blieb solange ich mein Leben mit ihm verbracht habe, grundsätzlich erfolglos, und damit hat er im Laufe von 40 Jahren, die wir zusammen verbracht haben, auch mein Leben und vermutlich nicht nur meines, sondern das seiner gesamten Familie und allen Menschen, die er auf seine Art geliebt hat, vollkommen zerstört.
Mein Ex war geschickt, intelligent und sowohl privat als auch in neuen Jobs fast immer erfolgreich. Was er begann, machte er fast immer wirklich gut, warf mir aber mein Leben lang vor, dass ich ihn nicht anerkennen würde und alles, was er täte, mir nicht gut genug sei und so weiter. Das hat er bereits seiner Mutter immer vorgeworfen. Ob zu Recht, weiß ich nicht, ich habe ihm das nur lange geglaubt und die Frau deshalb als böse verteufelt, weil ich dachte, sie hätte das arme Kind nie geliebt. Zuletzt war ich mir da nicht mehr sicher, sondern denke heute, sie war auch psychisch krank, aber ihr Sohn war es nicht minder und deshalb nie in der Lage zu bemerken, wenn er geliebt, gelobt und anerkannt wird.
Wenn Hansi lächelte, dann wirkte das wirklich immer irgendwie unecht, zynisch, ironisch und die Augen lächelten nie mit, ganz egal was er tat und ob es etwas war, das ihm eigentlich Freude machte wie hier das gemeinsame Autobasteln mit unserem Ältesten.
Als meine Mutter meinen Ex zum erstenmal sah, sagte sie zu mir, er würde immer so mißmutig aussehen, und damit hatte sie wohl recht.
Eins werde ich nie vergessen, nämlich wie entsetzt er sich in eine Ecke des Bettes verkroch, nachdem wir beide zum ersten Mal im Leben Sex hatten. Ich habe es nur falsch interpretiert und ihn getröstet, weil ich annahm, er hätte sich dafür geschämt, als Teenager nicht geschickt genug gewesen zu sein und habe ihm damals gesagt, das macht doch nichts, das lernen wir noch, denn alles muss man üben. Dass es seine Enttäuschung darüber war, Lust nicht fühlen, keine Befriedigung wahrnehmen zu können, auf die Idee bin ich gar nicht gekommen. Ich wusste ja damals gar nicht, was das Borderline-Syndrom ist und warum ein Borderliner Lust und Glück nicht wahrnehmen kann genauso wenig, wie er auch Trauer und Leid wahrnehmen kann oder in der Lage ist, Mitleid zu empfinden.
Um Mitleid empfinden zu können, sollte man Leid empfinden zu können, um sich mit einem anderen Menschen freuen zu können, sollte man selbst Freude wahrnehmen können, um Lustgefühle teilen zu können, sollte man sie selbst nicht nur suchen, sondern auch finden können .. und um die im Leben so notwendige Neugierde auszuleben, sollte auch das Gefühl der Überraschung, wenn man etwas Neues findet, eine sein, das man wahrzunehmen imstande ist. Es kann auch nicht schaden, wirkliche Wut zu fühlen, wenn man ungerecht behandelt wird und nicht nur Selbsthass, Ekel oder die Verachtung der gesamten Menschheit ... man sollte sich selbst wahrnehmen können, aber auch das kann ein Borderliner leider nicht.
Da das Borderline-Syndrom nicht nur erziehungsbedingte, sondern auch genetische Ursachen hat, habe ich oft Angst, auch meine Kinder und Enkel könnten davon betroffen sein. Wenn ich mir allerdings vergegenwärtige, ob meine Kinder auch mit den Augen lachen können, dann glaube ich, dass sie das alle vier schon können und hoffe, dass die Kindheit, die ich ihnen durch die Wahl ihres Vaters so kann ich wohl zu Recht behaupten angetan habe, sie dennoch nicht auch zu Borderlinern gemacht, sondern nur wie auch mich und meine Mutter, die immer an unserer Seite war und mir mit den Kindern half, genauso traumatisiert hat .. es besteht also Hoffnung, dass sie es überwinden können.
Kurz bevor ich mich 2007 endgültig von meinem Ex trennte, weil ich einfach nicht mehr konnte und seine Lügen und Betrügereien und das Sichselbstbelügen, doch angeblich mal wieder nichts Böses getan zu haben, nicht mehr ausgehalten habe, hätte er eine Chance gehabt, denn wir beide hatten eine Paartherapie begonnen. Er brach sie aber ab und hat nach einer Phase mit einer anderen Frau nun eine Partnerin, die sich darauf eingelassen hat, eine Fernbeziehung zu führen ... also das zu tun, was ein Borderliner braucht, ihm Raum zu geben für seine Schauspielerei und so zu tun, als ob sie alles glauben würde .. oder sie glaubt es wirklich, weil sie noch nie eines Besseren belehrt wurde.
Ich begriff, dass mein Ex am Borderline-Syndrom litt, als ich begann, Psychologie zu studieren und nebenbei einen Nebenjob als Schreibkraft in einer Suchtklinik auszuüben. Es fiel mir damals wie Schuppen von den Augen, was ich mit meiner Familie mit diesem Mann bisher über Jahrzehnte habe durchleiden müssen und nie verstand und auch warum er sich wohl so entwickelt haben könnte.
Mein Ex suchte sein Leben lang Liebe und Anerkennung, aber ein Borderliner kann sie deshalb nicht finden, weil er sich selbst verachtet, sich vor sich selbst ekelt und außer vielleicht gelegentlich Wut fast nichts sonst fühlen kann. Leider neigt er auch noch dazu, seine eigenen Gefühle auf jeden anderen Menschen zu übertragen, der ihm näher steht, denn er besitzt keine eigene Identifikation, sondern empfindet immer so, dass er annimmt, seine Mitmenschen, zu denen er gehört, würden genauso fühlen wie er selbst. Er weiß nicht, dass das nicht so ist. Es ist klar, dass die Probleme, die jeder Mensch mit einem Borderliner hat, so vorprogrammiert sind.
Ja, das alles war mir schon vor einigen Jahren klar, eines allerdings habe ich erst neu gelernt, weil ich nun einen neuen Kunden habe, dessen Beruf es ist, Seminare über das Erkennen von Mimik zu geben und ständig Pressetexte für ihn schreibe und dafür Quellen im Internet suche. So fand ich auch eine Quelle über eine Studie zur für Borderliner typischen Mimik, die sich in zwei Gruppen teilen lassen, einer die noch ein wenig Freude und Ärger wahrzunehmen imstande ist, Trauer, Überraschung und Angst kaum und auch sehr viel Ekel und Verachtung sowie zumindest ein wenig Freude, die andere Gruppe allerdings war so, dass Ekel und Verachtung fast ihr gesamtes Gefühlsspektrum ausfüllte und ihnen alle anderen, Gefühle, also Trauer, Angst, Überrraschung und ebenso das Gefühl der Freude gar nicht möglich war.

Und leider würde ich nach meiner Erfahrung sagen, mein Ex gehörte zu der Gruppe zwei und das hat man immer an seinem Gesicht sehen können, an diesem zynischen, verächtlichen Lächeln ohne Augenbeteiligung und daran gemerkt, dass er nichts, was es gab, jemals hat so erleben können, wie es einen gesunden Menschen möglich gewesen wäre.
Als ich ihn kennenlernte, hatte ich zunächst Bedenken. Ich wollte nicht seine Freundin werden. Später habe ich ihm immer wieder gesagt, ich hätte nie seine Frau werden dürfen, denn er hätte mich nie geliebt. Er hat bis zuletzt behauptet, er würde mich lieben. Aber kann ein Mensch überhaupt jemand anderen lieben, der sich selbst nicht liebt und der dazu neigt, seine eigenen negativen Gefühle sich selbst gegenüber auch auf seinen Partner zu übertragen? Diesem Menschen mag das so vorkommen, denn er sucht ja nach Liebe, findet sie aber nie, weil er nicht gelernt hat, sich selbst zu lieben und das Leben zu genießen.
Mein Ex wünschte sich eine Frau, die ihn liebt. Ich habe ihn geliebt. Er wünschte sich eine große Familie. Ich habe sie ihm gegeben. Er wünschte sich, von meiner Mutter geliebt zu werden. Sie war immer für ihn da, erntete aber nur Hass. Ich habe ihm verziehen, wenn er mich schlug, aber er war erbarmungslos und als ich unsere Beziehung schließlich beendet habe, weil ich einfach nicht mehr konnte, begann er mich zu hassen .. und hassen, ja das können Borderliner besonders gut, denn dieses Gefühl haben sie von Anfang an gelernt wahrzunehmen, sie hassen und verachten ja auch sich selbst.
Man sah das am Gesicht meiner Schwiegermutter genauso deutlich wie am Gesicht meines Ex-Mannes. Das war wohl der Grund, warum ich ihn anfänglich nicht als Partner haben wollte, aber ich hatte nicht genug Lebenserfahrung, um mir damals zu sagen, trau diesem Gefühl. Heute weiß ich, dass man seine Gefühle ernst nehmen sollte, denn die Mimik eines Menschen zeigt sehr genau, was er wirklich fühlt, und das tut auch die Mimik eines Borderliners, wie diese Studie zeigt.
Die Mimik kann nicht lügen und wer im ersten Moment zeigt, dass er nur Ekel und Verachtung spürt, egal was er gerade tut, kann später eine noch so gut gespielte Mimik aufsetzen, er hat sich bereits verraten.
Ich wusste nur bisher nicht, dass sogar das inzwischen wissenschaftlich bewiesen ist.

Als ich meinen heutigen Mann Jürgen das erste Mal sah, da lachte er mich strahlend an und binnen einer Sekunde war mir klar, ich liebe diesen Mann und werde mit ihm glücklich werden. Das bin ich auch immer noch, denn auch wenn wir beide im Leben viel Leid erfahren haben, wir können uns beide von Herzen freuen, wenn wir etwas Schönes erleben.

Mein Ex tut mir sehr leid, dass er Gene hat und außerdem eine Kindheit hatte, die ihn nicht hat lernen lassen, das Leben zu genießen, sich selbst zu lieben und damit sich selbst und andere glücklich zu machen. Er ist dazu verdammt, bis an sein Lebensende nach dem Glück zu suchen, das er auf diese Weise niemals finden wird.

Ich hätte ihm gerne geholfen und habe das lange versucht, aber erst vor einigen Tagen wurde mir endgültig klar, warum ich dazu keine Chance gehabt habe.

Es zu verstehen, hilft mir ein wenig, heute damit fertig zu werden, welche Konsequenzen die Ehe mit einem Borderliner für mich gehabt hat, denn die sind, auch wenn es ihn heute in meinem Leben nicht mehr gibt, nach wie vor für mich nicht ausgestanden.

LG
Renate


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