Drei halbwegs glückliche Jahre mit relativ kleinen Problemen
Als wir im Oktober 2000 in
Boksee einzogen, war unser Enkel Raphael schon einige Tage alt und
trotz einiger Probleme, die gut zu der Hauptüberschrift dieser
Biografie passen, dass ich die Auswüchse des Kapitalismus von meiner
Jugend an bis heute gut kennengelernt habe, steckten wir die aufgrund
des doch in dieser Zeit recht harmonischen Familienlebens recht gut
weg.
In der Zeit von Oktober 2000
bis Mai 2003 hatten wir einen sehr guten Kontakt zu unserer Tochter
Esther und so viel Freude an unserem Enkel Raphael, der täglich bei
uns war, dass ich über 20 kg an Gewicht verlor. Eine Weile hatte ich
sogar vor, mit Vanessa und Esther gemeinsam auf Chiwa so leicht wie
ich nun geworden war, den Staffelritt in Nehmten mitzureiten, aber
das sollte nicht sein, was ich gleich in den Erzählungen über die
Pferde berichten werde. Vanessa kam uns zwar ohne ihren Mann
besuchen, aber sie kam und wir lernten auch noch unseren Enkel Marc
von ihr kennen, der am 17.4.2002 auf die Welt kam. Auch Manuel
tauchte plötzlich wieder auf und suchte Halt, denn seine Beziehung
zu Sonja war nach 8 Jahren in die Brüche gegangen. Seine neue
Freundin Anni war zwar etwas verhalten, aber anfänglich meistens
nett und nicht gerade feindselig, was sich erst viele Jahre später
ändern sollte und den Grund dafür kenne ich bis heute nicht.
Marius entwickelte sich in
Boksee und auch später nach unserem Umzug nach Nettelsee ebenfalls
sehr gut. Weil er in meinen Augen immer etwas zu kurz gekommen war,
schenkte ich ihm den ersten PC und damit begann er, mit Freunden
Netzwerk zu spielen, gründete sein erstes Forum über Gothic und
fand recht viele recht gute Freunde. Endlich gehörte auch mein
Kleiner zu einer Gruppe dazu, der als Kind aufgrund seiner
Körperbehinderung ja oft gehänselt worden war. Das freute mich sehr
und sein Selbstbewusstsein wuchs.
So in ein harmonisches
Familienleben eingebettet ließen sich die normalen Alltagsprobleme
für uns gut lösen. Auch mein Ex-Mann war in dieser Zeit vernünftig.
Ich habe nicht bemerkt, dass er mich betrogen hätte oder finanziell
egoistisch gewesen wäre. Er verhielt sich wirklich
verantwortungsbewusst und war damals auch lange nicht mehr
gewalttätig gegenüber mir oder meiner Mutter.
Mit einem Gefühl hatte ich
mich allerdings nicht getäuscht. Der Bauer, von dem wir alles
gemietet hatten, war wirklich ein Ekel vor dem Herrn. Schon einige
Tage, nachdem wir umgezogen waren, sprachen uns die ersten Nachbarn
auf der Straße an und berichteten uns, was dieses Ehepaar mit
diversen Vormietern von uns veranstaltet hätte. Das galt für Mieter
von Wohnungen auf dem Hof genauso wie für Einsteller von Pferden
oder Mieter von Lagerraum in den diversen Schuppen dieses Hofes. Das
Dach war undicht und auf dem Boden nasses Kaff. Ständig waren unsere
Fenster beschlagen und die Wohnung feucht, aber man gab uns die
Schuld, wir würden die Wäsche nicht richtig trocknen. Der uns
versprochene Garten wurde nie freigeräumt, sondern für Baumaterial
als Lagerfläche genutzt, das dem Hausbau des Sohnes diente, der auf
dem Nachbargrundstück ein Haus baute. Die Abmachungen wegen der
Pferde klappten ebenfalls nicht und selbst mein Ex hatte keine Freude
daran, in seinem gemieteten Bastelraum zu schrauben, weil ständig
dieser Bauer auftauchte und ihn grundlos angriff. Der Mann kam sogar
ohne anzuklopfen zu Weihnachten in eine Feier gestoben oder stand
morgens genauso ohne zu klopfen mitten in unserem Schlafzimmer und
dergleichen.
Unsere Pferde brachten wir
deshalb schon recht bald zu einem anderen Bauern, wo wir zunächst
eine Sommerweide pachten konnten, aber da bekam Chiwa das erste Mal
Hufrehe, weil es eine Feuchtweide mit Sumpfschachtelhalmanteilen war,
wovon ich damals überhaupt keine Ahnung hatte. Im Winter gingen wir
dann mit den Pferden dort weg nach Klein-Barkau und dort hatte sie
nach der überstandenen Hufrehe dann einen fast tödlichen Unfall an
einem Maschendraht, riss sich eine Schlagader in der Fesselbeuge und
das Bein bis auf den blanken Knochen auf und überlebte nur knapp.
Mein schöner Traum, gemeinsam mit meinen Töchtern nun richtig
schlank geworden den Staffelritt in Nehmten reiten zu können,
zerplatzte durch diesen Unfall wie eine Seifenblase. Für mich war
das ein sehr schöner Traum, fast so schön wie der, den ich später
hatte, einmal im Leben gemeinsam mit meinen Kindern eine Musikshow
reiten zu können. Ich werde das sicherlich nicht mehr erleben, denn
inzwischen bin ich für solche Träume zu alt geworden.
Als Raphael ein Jahr alt
war, begann meine Tochter Esther, sich ein wenig Geld als Kellnerin
in einer Kieler Szene-Kneipe zu verdienen, in der auch Raphaels Papa
Robert einen Job als Koch fand. Meine Arbeitszeit im Call-Center
überschnitt sich mit ihren Arbeitszeiten. Deshalb gab ich meinen
Nebenjob auf und kümmerte mich verstärkt um meinen Enkel. Heute
wird mir von meinen eigenen Kindern oft vorgeworfen, ich wäre zu
faul zum Arbeiten gewesen. So ein Unsinn. Ich habe in dem Call-Center
so wenig verdient, dass ich den Lohn für einen Einsatz fast komplett
für das Benzin ausgab, um hin und zurück zu fahren. Meine Tochter
hatte mehr davon, als Kellnerin zu jobben und sie brauchte das Geld
auch dringender als ich.
Mein Ex-Mann bekam im Alter
eine neue Chance. Er konnte zunächst in Lütjenburg ein Jahr als
Anleiter für arbeitslose Jugendliche arbeiten, später in Kiel für
die DAA und noch eine Weile später sogar eine Werkstatt einrichten,
wo er mit den jungen Arbeitslosen Oldtimer restaurieren konnte. Er
war sehr stolz darauf, was er tat, denn er wurde genauso gut oder
schlecht bezahlt wie die ausgebildeten Sozialpädagogen und
Psychologen dort. Darüber werde ich später aber noch mehr berichten.
Einen kleinen Haken
allerdings gab es bei diesen Jobs. Diese Einsätze waren immer
zeitlich befristet, denn unbefristete Jobs bedeuten Kündigungsschutz
und den bekommt man heute doch kaum noch. Und in einer der Phasen, wo
mein Ex nur vorübergehend arbeitslos war, habe ich dann nichtsahnend
Wohngeld beantragt und angegeben, dass der kleine Raphael ja meistens
bei uns war. Meine Tochter hatte inzwischen einen neuen Partner, denn
ihre Beziehung zu Robert hatte nicht gehalten. Es war anfänglich
eine seltsame Liebschaft, denn ihr heutiger Ehemann wollte zuerst
keine feste Beziehung. In meinen Augen nutzte er sie einfach aus. Das
sagte ich ihm auch ins Gesicht, als meine Tochter einen schlimmen
Reitunfall hatte und wir beide stundenlang darauf warteten, dass sie
wieder zu sich kam. Ich hatte ihren komischen anonymen Freund
angerufen, dessen Telefonnummer an ihrem Kühlschrank klebte
beziehungsweise hatte ich vermutet, dass es seine Nummer sei und
hatte damit recht. So kam er in die Klinik und wir beide ins
Gespräch.
Eine Frau müsse autark
sein, er hätte nicht vor, Kinder zu ernähren und derlei Dinge
erzählte er mir, alles Dinge, die mir absolut nicht gefielen. Ich
äußerte, ich sei nicht autark, aber autonom und was der Unterschied
sei, das würde ich ihm schon beibringen, wenn er mein Kind nicht
anständig behandeln würde. Heute ist sie seine Ehefrau und damals
zog sie kurz nach diesem Gespräch wirklich bei ihm ein und er
stellte meinen Enkel seiner Mutter und seiner Oma vor, die einen
Bauernhof in Schwentinental hatten. Er hat weder sie noch meinen
Enkel anständig behandelt. Seine Oma wollte gern meine Rolle
übernehmen und nun selbst auf Raphael aufpassen, wenn meine Tochter
arbeitete, ihre Ausbildung zur Erzieherin und Western-C-Trainerin
machte und oft noch ausging und wirklich wenig Zeit für den Kleinen
hatte. Das fand ich falsch, denn die Hauptbezugsperson für Raphael
war definitiv ich und dann erst meine Tochter, die auch mit dem
Wechsel zu dieser Oma ihres neuen Partners nicht mehr Zeit für ihren
Sohn haben würde und könnte, denn sie steckte mitten in diversen
Prüfungen. Man sollte einem Kind, das fast 3 Jahre alt ist, nicht in
diesem Alter mit voller Absicht die Bezugsperson entziehen, nur weil
eine alte Frau so gern noch einmal eine Aufgabe am Ende ihres Lebens
hätte. Das war sehr egoistisch und in keiner Weise an das Kind
gedacht.
Es würde zu weit führen,
die genauen Umstände zu erläutern. Es gab noch einen Besuch von
einem Freund meines heutigen Schwiegersohnes in meinem Stall unter
dem Vorwand, ein Quarter Horse bei uns unterstellen zu wollen. Später
hieß es, ich hätte unter anderem bei diesem Gespräch gesagt, meine
Tochter sei früher auf den Strich gegangen. So ein Unsinn. Sie hat
so etwas nie getan und ich habe so etwas auch nie gesagt und auch
ganz sicher nicht angedeutet. Ich vermute, dieser Mann wurde mir
geschickt, um meine Tochter auf mich raufzuhetzen, damit sie ihren
Sohn zu Jans Oma bringen und Nixe in deren Stall stellen sollte.
Plötzlich im Mai 2003 war
Nixe nicht mehr auf ihrer Weide in Wellsee. Wir hatten inzwischen die
Wohnung in Boksee gegen eine in Nettelsee getauscht und den Stall in
Klein-Barkau, wo Chiwa den schlimmen Unfall hatte und noch viele
andere Missstände waren, gegen eine Pachtweide mit Offenstall in
Kiel-Wellsee getauscht, wo sich Nixe, Reno und Chiwa sehr wohl
fühlten und wir uns mit den Verpächtern auch sehr gut verstanden
und viele schöne Sommerparties gefeiert haben. Meine Familie war
immer noch eine Familie gewesen, aber von Stund an war sie es nicht
mehr.
Es gab etwas, dass Esthers
heutiger Ehemann von mir wusste, und das war die Äußerung des
Arztes, der meine Tochter Vanessa behandelt hatte, als sie noch mit
Marc hochschwanger schwer verletzt ins Krankenhaus eingeliefert
worden war. Sie sagt bis heute, sie sei die Treppe runter gefallen.
Der Arzt, der sie behandelte, nahm mich aber zur Seite und fragte
mich, ob ich auch denken würde, dass sie von ihrem Ehemann
geschlagen und dabei möglicherweise die Treppe runter gestoßen
worden sein könnte. Er hätte ihr bereits eine Psychologin
geschickt, aber sie würde dabei bleiben, nur gefallen zu sein und so
sei es nicht möglich, meinen Schwiegersohn wegen schwerer
Körperverletzung seitens der Ärzte anzuzeigen.
Tja, so wie Vanessa damals
aussah, habe ich das auch für möglich gehalten und mache das auch
heute noch, zumal ich das unbeherrschte Wesen meines Schwiegersohns
ja gut kenne. Und mit so etwas lief mein heute zweiter Schwiegersohn
dann zum anderen und erzählte ihm das, so dass der auch erfuhr, wie
oft meine Tochter heimlich ihre Familie besuchen kam.
Diese Aktion bewirkte, dass
mein Schwiegersohn Timo Vanessa das Versprechen abnahm, nie mehr
Kontakt zur eigenen Mutter zu haben. Sie hält sich daran, bis heute.
Esther kam zurück, Vanessa nie mehr und meine Ehe, die in der Zeit
von 2000 bis zu diesem Ereignis tatsächlich besser war als jemals
zuvor, hat das natürlich nicht ausgehalten.
Meine Mutter auch nicht. Ihr
brach aus heiterem Himmel kurz danach die Wirbelsäule und sie starb
mir im Sommer 2003 fast. Ich besprach mit ihrem Arzt dann, alle
Medikamente abzusetzen und setzte auf reine Ernährungslehre und
kriegte meine Mama wieder halbwegs zugange.
Ich habe auch dafür
gesorgt, dass sie ab und zu Vanessa sehen konnte, die konsequent nie
mehr zu uns nach Hause kam und meiner Mutter so das Gefühl
vermittelte, weil sie bei mir lebte, nun ihre Lieblingsenkelin kaum
noch sehen zu dürfen. Aber in ein Altersheim wollte meine Mutter
auch nicht.
Tut ein Mensch mit Herz so
etwas einem Familienmitglied an? Was man mir antat, davon will ich
nicht reden, denn meine Mama tat mir leid und auch wenn es mir jedes
Mal das Herz zerriss, nicht dabei sein zu können, habe ich diverse
Treffen zwischen Mama und Vanessa arrangiert, die für mich alles
andere als gut gewesen sind, weil die Kluft in unserer Familie mit
jedem dieser herzlosen Aktionen größer und meine Ehe schlechter
wurde.
Ich will mit dem Sommer
2003, als meine Mutter allmählich begann, von den tot gesagten
wieder aufzustehen und meine Tochter Esther zum ersten Mal wieder mit
Raphael im Spätsommer zu Besuch nach Nettelsee kam, dann im nächsten
Teil weitermachen. Es war ein Anfang, der mich damals glücklich
machte und dennoch der Anfang vom Ende dessen, was einmal meine
Familie gewesen ist. Meine Mama bekam damals die erste Pflegestufe,
die Pflegestufe 1. Gleichzeitig zog man uns einen Großteil dieses
Geldes dafür wieder ab, dass sie hilflos ja nun laut Sozialamt nur
ein Haushaltsmitglied sein konnte. Das nennt sich in Deutschland
nämlich Sozialstaat. Ich bin nicht grundlos politisch aktiv und habe
dieser Biografie nicht grundlos einen politisch gefärbten Titel
gegeben, denn die Politik in diesem Land ist auch nicht schuldlos
daran, dass so viele Familien zerbrechen, und zwar am Geldmangel,
weil hierzulande jede Solidarität mit der Familie nach sich zieht,
selbst auch ganz schnell zum Sozialfall zu werden und das will
niemand und macht den Menschen nicht zu Unrecht angst. Warum, auch
das werdet Ihr an meinem eigenen Schicksal noch sehr gut nachlesen
können.
Der eigentliche Grund, mir
Raphael wegzunehmen, war nämlich genau betrachtet ein finanzieller.
Weil ich nichtsahnend Wohngeld beantragt hatte, wurde Esther, die bei
ihrem Lebensgefährten als Mieterin lebte und nicht als seine
Partnerin und ihr Mutter-Kind-Bafög als Mietanteil beisteuern
musste, vom Bafög-Amt benachrichtigt, wo ihr Sohn seinen
Hauptwohnsitz denn nun hätte. Für meinen heutigen Schwiegersohn war
es damals finanziell besser, weil er das Geld brauchte, meinen Enkel
zu seiner Oma zu bringen, die kein Wohngeld beantragt hatte, um
anschließend zu behaupten, ich hätte ja gelogen. Muss man nur aus
Geldmangel einem unschuldigen Kind sowas antun und ausnutzen, dass
dessen Mutter einen abgöttisch liebt? Ist das Liebe, und zwar sowohl
zu dieser Frau und erst recht zu deren Sohn? Ich bin weißgott auch
schon in finanziellen Schwierigkeiten gewesen, aber so habe ich in
meinem Leben noch nie gehandelt, nur um mehr Geld zu haben.
Hätte ich das geahnt, hätte
ich auch kein Wohngeld beantragt, aber würde ein diesem Land mal ein
Politiker befähigt sein zu denken, würden viele solcher Handlungen,
die nur aus Geldnot entstehen, auch gar nicht erst passieren.
Das Bedingungslose
Grundeinkommen würde nicht mehr kosten als die Sozialleistungen, die
jetzt der Staat ausgibt und viele solcher Probleme würden sich in
Nichts auflösen, denn es würde sich wieder lohnen, mit der Familie
zusammenzuleben und zusammenzuhalten. Unser aktueller Hartz-IV-Staat
allerdings trennt die Menschen durch die Bedarfsgemeinschaften und
auch schon die Haushaltsgemeinschaften waren etwas Trennendes, die es
früher bei der Sozialhilfe gab. Und das sind sie auch noch heute.
Also dann bis demnächst mit
der Fortsetzung im Spätsommer 2003.
LG
Renate
Die anderen bereits veröffentlichen Teile von Bilanz findet Ihr am Ende der Seite "Über uns" vor den Geschichten aus Jürgens Leben... hier der Link dorthin:
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