Samstag, 27. Januar 2018

Wenn Internet-Freunde sterben

- Heute ist vieles doch anders als früher -

Ich habe jetzt zum dritten Mal erfahren, dass langjährige Internet-Freunde von mir gestorben sind.

Beim ersten Mal war es eine Frau, die genauso gern geschrieben hat wie ich selbst. Sie war nicht gesund. Ich habe vieles aus ihrem Leben miterlebt und ihr die Daumen gedrückt, zum Beispiel auch, wie sie sich in jemand aus einem fernen Land verliebte und was das für ein Aufwand war, bis er endlich zu ihr nach Deutschland ziehen und sie heiraten konnte.

Dass sie viel zu jung mit unter 60 gestorben ist, hat mir damals sofort ihr Mann erzählt.

Ganz anders war es bei einem meiner Internet-Freunde, den ich kennenlernte, weil er mir zuerst lange Zeit immer so nette Einträge ins Gästebuch schrieb. Später erzählte er mir, seine Frau wäre einfach so neben ihm auf der Kellertreppe auf dem Weg in den Garten tot umgefallen, eine Nachbarin hätte ihn in dem sozialen Netzwerk angemeldet und er hätte zuerst noch gar keine neue Frau gesucht, sondern sich nur mit den Gästebucheinträgen und so weiter versucht, von diesem Schmerz abzulenken.

Später fing er dann doch an, eine Partnerin zu suchen, eine die Hunde gern hat. Er hat sie dann auch gefunden und ich freute mich sehr für ihn.

Und plötzlich passierte gar nichts mehr auf seinem Profil. Ich hatte schon ein irgendwie ungutes Gefühl, weil ich mir nicht vorstellen konnte, dass er ohne Tschüß zu sagen einfach so wegbleiben würde.

Und irgendwann schrieb mir diese Nachbarin, dass er gestorben wäre. Sie hatte gesehen, dass ich ihm häufiger Grüße geschickt hatte. Sie hat mir erzählt, dass seine neue Frau nun mit den Hunden allein in seinem Haus leben würde und so traurig wäre. Er war Raucher und ist an Lungenkrebs gestorben, ganz schnell.

Das Profil von ihm gibt es noch heute.

Vom Tod der nächsten Internet-Freundin erfuhr ich vor einigen Tagen an dem Tag, als die Geburtstag gehabt hätte.

Sie gehörte zur linken Berliner Szene, den Leuten, die damals die Piraten mit groß gemacht haben, die sich um die gekümmert haben, als sie wochenlang vorm Bundestag gezeltet haben und so. Sie hatte so viele Ideen für eine bessere Welt und schrieb auch viel. Teils war das reine Lyrik, sie schrieb auch schöne Gedichte, teils auch politische Sachen.

Ich war gleich in zwei sozialen Netzwerken mit ihr verkabelt.

Auch bei ihr habe ich mich gewundert, warum plötzlich so gar nichts mehr von ihr kam.

Aber solche "Karteileichen" gibt es viele bei mir. Ich pflege Internet-Freunde so schnell nicht aus meiner Freundesliste zu löschen, auch wenn sie monatelang oder jahrelang inaktiv sind. Man weiß ja nie, was der Grund dafür sein könnte.

Nun kam die Nachricht, dass sie Geburtstag hat und ich schickte ihr auch noch einen Geburtstagsgruß auf ihre Seite. Als ich dann nachschaute, was die anderen ihr geschrieben hätten, stellte ich anhand von zwei Einträgen fest, dass es sie vermutlich nicht mehr gibt.

Man sieht es dann ja anhand so Formulierungen wie "heute wäre Dein Geburtstag gewesen".

Also habe ich gefragt. Sie lebt auch nicht mehr. Auch sie ist nichtmal 60 Jahre alt geworden.

Ob es noch mehr alte Internet-Freundinnen und -Freunde bei mir gibt, die schon lange nichts mehr schreiben, aber womöglich gar nicht mehr leben, man kann es nicht wissen.

Aber das ist die moderne Zeit.

Früher hatte man Freunde, die ganz in der Nähe wohnten, jedenfalls meistens. Es wäre nicht möglich gewesen nicht mitzukriegen, wenn jemand davon gestorben wäre, weil sie ja in der Nachbarschaft gewohnt haben.

Heute ist eben alles anders. Das ist das Internet.

Dass man so aber oft nicht erfährt, was auch wirklich liebenswerten Menschen wird, macht mich schon sehr nachdenklich.

LG
Renate

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