Mittwoch, 30. Juli 2014

Vom Loslassen - Teil 3

Kinder kann man nicht loslassen - Manuel und Familie

Heute vor genau drei Jahren am 30.07.2011 bei der Geburtstagsfeier meiner Mutter, ihrer letzten, denn wenige Wochen später starb sie sehr schnell und sehr dramatisch.

Manuel, mein Großer, war gekommen. Er brachte uns nicht meinen Enkel Jarvin, sondern nur ein neues Foto von dem Kleinen mit, den ich bis heute nie gesehen habe. Ich hatte nie Streit mit seiner Frau, die in der Schwangerschaft plötzlich ohne einen für mich ersichtlichen Grund den Kontakt mit mir abbrach. Keine Erklärung, nichts. Mein Sohn kam noch lange zu Besuch.

An diesem Tag erzählte mir Manuel, dass er sich selbständig gemacht hätte und seinen Traum von einer eigenen Werkstatt extra zum Restaurieren von Oldtimern zu Hause wahr gemacht hätte. Es sei doch besser für seinen Sohn, wenn seine Frau sich um das Kind kümmern könnte, sagte er, was ich als Mutter gut verstand und ihm beipflichtete.

Er wollte mit der Familie einige Tage nach Dänemark in Urlaub fahren und wäre an seinem Geburtstag dann nicht zu Hause. Ich sagte, ich würde mich melden, wenn er wieder zu Hause sei. Zu einem Treffen kam es wie auch davor nicht. Ich habe es auch nicht unbedingt erwartet.

Ich wusste nicht, dass mein Großer länger arbeitslos gewesen ist, bevor er sich selbständig machte. Das hat mir erst später bei der Beerdigung meiner Mutter sein kleiner Bruder erzählt.

Ich weiß deshalb auch nicht, ob es ihm finanziell gut oder schlecht ging, als ich ihn einige Tage vor dem plötzlichen Tod meiner Mutter anrief, um mir von ihm Geld zu leihen, denn meine Mutter kämpfte mit dem Tod, es war Ende September, ich brauchte viele Dinge für sie, denn ich dachte damals noch, sie hätte eine fürchterliche Magengrippe erwischt, und da es Ende September war, war ich leider vollkommen pleite und konnte vieles, was nützlich für meine Mutter gewesen wäre, so nicht mehr kaufen oder die Praxisgebühr beim Arzt bezahlen.

Manuel konnte nicht wissen, dass seine Oma sterben würde. Wir bekamen Streit. Er warf mir vor, ich würde meine Pferde mit Kiwis füttern und nicht gut wirtschaften. Ich war sehr wütend darüber und habe wortlos aufgelegt. Als meine Mutter gestorben war, habe ich ihn nicht wieder angerufen, sondern ihm das per E-mail mitgeteilt. Er kam nicht zu ihrer Beerdigung. Wir haben uns seitdem nie wieder gesehen.

Oft überlege ich, einfach einmal an den Ort zu fahren, wo er mit seiner Familie lebt und zu schauen, ob ich meinen Sohn oder meinen Enkel dort sehen kann. Ich habe es noch nie getan. Es ist weit bis dorthin und unser Auto alt und das Benzin und Geld immer knapp. Einfach in der Gegend rumzufahren kann ich mir genauso wenig leisten wie einfach nur so Handynummern anzurufen.

Einmal habe ich mit meinem Sohn telefoniert, auch länger, über seine Handynummer. Das war zu der Zeit, als ich dachte, ich würde an Krebs sterben.

Nun ich werde nicht sterben.

Warum alles so kam wie es kam, das weiß in erster Linie meine Schwiegertochter. Natürlich weiß es auch mein Sohn, aber der wird es mir nicht sagen.

Ich tauschte viele fröhliche E-mails mit ihr bis zu einem Tag, an dem ich ein Treffen für meine Mutter mit allen ihren Enkeln arrangierte, bei dem ich selbst nicht anwesend war. Meine Mutter war schon damals hochgradig dement. Sie konnte mir gar nicht viel von diesem Tag erzählen, nur wirres Zeug. Was dort gesprochen wurde, ich habe keine Ahnung, aber von dem Tag an bekam ich auf E-mails von meiner Schwiegertochter keine Antwort mehr, was ich anfangs gar nicht weiter tragisch nahm.

Ich begann mich zu wundern, warum mein Sohn nicht darauf einging, wenn ich frage, ob wir mal zu Besuch kommen könnten, aber er besuchte ja uns, und als ich dann erfuhr, dass er schon wochenlang Vater war, ohne mir auch nur ein Wort davon gesagt zu haben, bekamen wir zum ersten Mal wirklich heftig Streit, weil ich es nicht verstand.

Der letzte halbwegs liebevolle Kontakt mit Manuel fand dann wie gesagt am letzten Geburtstag meiner Mutter genau vor 3 Jahren statt. Aber meine damalige Hoffnung, es würde wieder alles gut, war leider nichts weiter als eine Hoffnung und hatte nichts mit der Realität zu tun.

Meinen Sohn loslassen, nein das kann ich nicht. Seinen Sohn, der sicherlich sein ganzer Stolz ist, kenne ich gar nicht, aber ich würde ihn wie sicher alle Großmütter gern kennenlernen.

Auch wenn es gut wäre, Kinder loslassen zu können, die noch leben, aber keinen Kontakt mehr wünschen, ich glaube, als Elternteil kann man das niemals. Diese Wunden bluten immer.

LG Renate

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